Goslar/Hannover (epd). Angriffe auf Notfallsanitäter und Rettungsassistenten gehören dem niedersächsischen Landeschef des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), Ralf Selbach, zufolge mittlerweile zum Arbeitsalltag. Zwar gebe es bislang keine statistischen Erhebungen zu den Vorfällen, allerdings werde in den Rettungsdienst-Sitzungen vermehrt über Gewaltanwendungen und Übergriffe gegen das Personal berichtet, sagte der Vorstandsvorsitzende am Dienstag in Goslar dem epd. Bei der traditionellen Dreikönigstagung der DRK-Rettungsschule berieten rund 120 Experten über die Entwicklungen im Rettungsdienst.

Die zunehmende Zahl der Angriffe führte Selbach auch auf eine Veränderung in der Gesellschaft zurück. «Grundsätzlich kann man in allen Sphären des gesellschaftlichen Lebens eine gewisse Verrohung erkennen.» Nicht nur Notfallsanitäter und Rettungsassistenten hätten mit dem Problem zu kämpfen. Auch Polizei und Feuerwehr würden häufiger bei ihrer Arbeit behindert.

Um zunehmenden Übergriffen entgegenzuwirken habe der Gesetzgeber das Strafrecht im vergangenen Jahr bereits verschärft, sagte Selbach. «Nun muss das geltende Recht konsequent angewendet werden.» Das im vergangenen April verabschiedete «Gesetz zur Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften» droht bei tätlichen Angriffen mit bis zu fünf Jahren Haft. Der Landeschef betonte, er sehe auch die Gesellschaft in der Verantwortung, deeskalierend einzuwirken und sich für ein friedliches Miteinander einzusetzen.

Deeskalation sei bereits seit einigen Jahren fester Bestandteil der Ausbildung zum Rettungsassistenten und zum Notfallsanitäter, sagte Selbach. Dabei lernten Mitarbeiter Techniken der Gesprächsführung sowie in praktischen Übungen das richtige Verhalten in einer Gefährdungslage. «Dabei handelt es sich allerdings nicht um einen Selbstverteidigungskurs.»

Einer in der vergangenen Woche veröffentlichten Studie der Ruhr-Universität Bochum zufolge ist fast jeder Notfallsanitäter und Rettungsassistent bereits im Einsatz angegriffen worden. Wie das Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» meldete, gaben bei der in Nordrhein-Westfalen durchgeführten Studie rund 91 Prozent der Befragten aus diesen Berufen an, innerhalb der letzten zwölf Monate Opfer von verbaler oder körperlicher Gewalt geworden zu sein. Auch Feuerwehrleute im Rettungsdienst seien in großer Zahl attackiert worden (88 Prozent), ebenso Notärzte (80 Prozent).

Zum DRK-Landesverband Niedersachsen zählen eigenen Angaben zufolge derzeit 148 Rettungswachen, die insgesamt rund 2.900 haupt- und ehrenamtliche Rettungshelfer, Notfallsanitäter und -assistenten beschäftigen. Im hauptamtlichen Bereich ist das Deutsche Rote Kreuz in Niedersachsen Arbeitgeber für etwa 15.000 Menschen.
Source: Kirche-Oldenburg