Pressemitteilung des Evangelischen Militärbischofs – Handlungsbereich Evangelische Seelsorge in der Bundeswehr (HESB)

Demokratie zwischen Kirche und Marine

Wilhelmshaven, 29. Juni 2017. Militärbischof Dr. Sigurd Rink (Berlin) hat bei der Ausstellung „Mit Schwert und Talar. Drei Pastoren zwischen Kirche und Marine“ die Unabhängigkeit der Militärseelsorge hervorgehoben. Im Deutschen Marinemuseum sagte der evangelische Bischof für die Soldaten in der Bundeswehr, die Kirche wolle kritischer Partner sein, denn Claqueure im Betrieb der Streitkräfte brauche es nicht. Rink sprach damit zugleich die schlimmen Erfahrungen aus der Wehrmacht des Nationalsozialismus mit Kadavergehorsam und militärischer Hierarchie an, die die Gräueltaten des verbrecherischen Regimes mithin möglich gemacht und nicht verhindert hatten. Als kritisch wertet Rink auch weiter zurückliegende Zeiten, in denen preußischen Infanterieoffizieren nahe gelegt wurde, einen Soldaten, der nicht spure, zum Pfarrer zu schicken.

Heute gebe es mit der Inneren Führung ein Instrument, das gerade in einer Einsatzarmee wie die Bundeswehr kultiviert werden müsse. Urteilsvermögen und gegenseitigen Austausch, kritisch-konstruktives Mitdenken und Mut könnten damit gestärkt werden. „Der Ernstfall ethischer Bildung liegt vor jedem Einsatz“, äußerte Rink. Die kirchliche Arbeit sorgt vor allem dafür, dass Menschen innerlich gestärkt und ermutigt ihren Weg gehen können und kritisch, engagiert wie loyal Verantwortung übernehmen, so der EKD-Bischof für die Soldaten zu den demokratischen Tugenden.

Eine wichtige Rolle, so Rink, spielt nach wie vor der 1957 zwischen der EKD und der Bundesrepublik geschlossene Militärseelsorgevertrag, der der Kirche Freiheit in einem besonderen Handlungsfeld garantiert und es möglich macht, Menschen nahe zu kommen, die im Auftrag der Demokratie einen schwierigen und elementar wichtigen Dienst erfüllen.

In der Teilstreitkraft Marine sind die Belastungen für die Soldatinnen und Soldaten besonders hoch, denn das Personal ist mit knapp 17 Prozent

in allen Einsätzen der Bundeswehr vertreten, zählt aber nur 16.000 Mann von insgesamt 178.000 Soldaten. Die Marinegeistlichen selbst waren 2016 insgesamt 644 Tage auf See, was einer Abwesenheit von Zuhause und Familie von drei Monaten im Jahr entspricht. Ökumene wird schon allein dadurch gelebt, dass sich katholische und evangelische Geistliche in der Begleitung auf den Schiffen abwechseln.

 

Rink nannte die Seelsorge in der Marine – in Wilhelmshaven sind derzeit mit Christoph Sommer und Ekkehart Woykos zwei evangelische Marinepfarrer tätig, eine dritte Stelle ist vakant – ein „Zukunftslabor der Kirche, denn hier sind wir bereits mit einer post-volkskirchlichen Realität konfrontiert, die zivile Kirchengemeinden vermutlich erst in Jahren treffen.“ Jenseits traditioneller Arbeitsweisen gelte es mit demEvangelium Menschen nahe zu kommen, sie zu stärken und zu trösten.

Die Ausstellung „Mit Schwert und Talar“ zeigt drei Pastoren aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die der Marine besonders verbunden waren: Die Wilhelmshavener Garnisonkirchenpfarrer Friedrich Ronneberger und Ludwig Müller, der spätere Reichsbischof und den U-Bootkommandanten Martin Niemöller, der nach dem Zweiten Weltkrieg erster Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau wurde.

In einer anschließenden Fragerunde stellten Teilnehmer eine Distanz vieler Kirchenvertreter wie Margot Käßmann zum Militär fest. Rink sagte, selbst Niemöller sei gegen eine Aufrüstung zu Felde gezogen und seine hessen-nassauische Kirche habe erst 1961 den Militärseelsorgevertrag gebilligt. Die Militärpfarrer bestätigten aber, dass der Bedarf an Gesprächen mit den Seelsorgern an Bord sogar von Muslimen gesucht werde.

 

Ergänzung:

„Mit Schwert und Talar. Drei Pastoren zwischen Kirche und Marine“

Schwert und Talar, Staat und Kirche, Gehorsam und Glauben – um das Spannungsverhältnis dieser Begriffe dreht sich die Gemeinschaftsausstellung des Deutschen Marinemuseums mit der Christus- und Garnisonkirche in Wilhelmshaven.
Die Ausstellung untersucht das Verhältnis von Kirche und Militär am Beispiel von drei Geistlichen aus der kriegerischen ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts: Friedrich Ronneberger, Ludwig Müller und Martin Niemöller. Diese waren der Marine und Wilhelmshaven verbunden und prägten die evangelische Kirche und die Militärseelsorge auf ganz unterschiedliche Weise. Die Ausstellung untersucht ihr Leben, ihr Handeln und ihre Theologie. Die Sonderausstellung im Marinemuseum und der Christus- und Garnisonkirche ist noch bis zum 31. Oktober 2017 geöffnet.