Am Reformationstag wurde die Kunstaktion von Tina Asche eröffnet. Hier können Sie die Predigt nachlesen.

ML

Wort für Wort,

hat Luther seine Thesen aufgeschrieben. Wort für Wort. Gebündelt. In knapp 95 Sätzen, Ideen, Thesen. Wort für Wort und hat er damit an den Grundfesten der damaligen Kirche gerüttelt. Ungewollt. Aber jedes Wort hat die Kirche erschüttert.

das ganze Leben der Gläubigen soll Buße sein.

Es ist eine Gotteslästerung, das Ablasskreuz mit dem Wappen des Papstes in den Kirchen mit dem Kreuz Jesu Christi gleichzusetzen

Der Papst kann nicht irgendeine Schuld erlassen;

Das ist gewiss: Fällt die Münze klingelnd in den Kasten, können Gewinn und Habgier zunehmen.

Wort für Wort, ein Schlag.
Martin Luther hatte mit seinen Worten die damalige Welt erschüttert. Heute vor 500 Jahre der Thesenanschlag. Egal wie. Egal ob Tür oder Brief oder schwarzes Brett. Hier ging es los. Jeder soll verstehen, jeder kann die Bibel lesen. Jeder darf sich von Gott selbst ein Bild machen. Martin Luther gab den Worten die Macht des Anfangs zurück. Die Macht der Worte wurde in den Auseinandersetzungen ganz deutlich.

Wort für Wort, alle sind wichtig!!
Und so hat er die Bibel übersetzt. Wort für Wort. Jeder muss es verstehen. Welche Veränderungen, wenn Menschen auf einmal die Bibel selber lesen und verstehen konnten. In der evangelischen Kirche, die für manche auch die Kirche des Wortes ist, bekamen die Worte über Gott und das Wort von Jesus Christus einen immer größeren Stellenwert. Worte können so viel bewegen. Jedes Wort ist wichtig. Wie unerschrocken Luther war, ist uns heute oft nicht mehr vorstellbar. Ketzer, so hießen damals die Querdenker, die sich gegen die Worte der päpstlichen Kirche stellten. Und so mancher, der gleiches wie Luther dachte und aussprach ging in Flammen auf. Unerschrockene Worte.

 

Yara und Mazen – Worte bewegen

Worte bestimmen auch das Leben von Yara und Mazten. Unerschrockene Worte. Sie haben viele Preis bekommen. Den Bruno Kreisky Menschenrechspreis ,
den Roland Berger Preis für Menschenwürde,
den ilaria Alpi Award  und
den Preis „das unerschrockene Wort“ vom Bund der deutschen Lutherstädte 2015.
Yara und Mazen kommen aus Syrien und sie haben immer den Mund aufgemacht. Haben sich für ihre Freunde eingesetzt, die in den Folterkammern von Baschar al Assad verschwanden. Solange wir nichts hören, glauben wir, dass sie noch leben. Erst wenn wir wissen, dass sie tot sind, dann sind sie tot. Yara und Mazen Bader sind vielleicht die meistausgezeichneten Friedensaktivisten derzeit. 2012 werden sie selber verhaftet. Yara kommt nach drei Monaten wieder frei. Mazen bleibt verschwunden. Such dir einen anderen Mann, deiner kommt nicht wieder. Sie glaubt es nicht und bleibt mutig dran. Sie redet weiter das unerschrockene Wort. Dann findet sie ihn wieder. Sie darf ihn besuchen, ab und zu telefonieren. Sie erzählt:  Immer wenn ich ihn sah oder sprach, dann sagte ich zu ihm: Wenn Du gefoltert wirst, denke an eine weiße Wand. Wir alle denken an dich. Wir brauchen dich. Das habe ihm in den schwächsten Momenten geholfen, sagt Mazen heute wieder in Freiheit. Die Worte seiner Frau hätten ihn am Leben gehalten. Jeder braucht jemanden, der auf ihn wartet.
Yara und Mazen! Was können Worte alles bewirken? Worte, die unerschrocken und mutig den Raum erfüllen.

 

Das Wort

Das unerschrockene, das mutige Wort bleibt bestehen. Martin Luther hat die damalige Kirche vor 500 Jahre in unerschrockene, mutige Worte getaucht. Hat aus Worten, die unverständlich waren, die Botschaft für alle herausgefiltert und die Kirche damit gefüllt. Vorher war das, was da passiert ein einziges Tohuwabohu, ein einziges Durcheinander. (NATASCHA)  Wir haben das Wort eben in der hebräischen Übersetzung gehört. Was die Priester machten war Hokos Pokus. Die Menschen verstanden Zauberei. (Bernhard) Dabei übersetzen sie die großen Worte Dies ist mein Leib, lateinisch hoc est corpus mit Hokus Pokus. Worte müssen verstanden werden. Mit der Bibelübersetzung füllte sich die Kirche mit vielen Worten, der verstanden werden konnten. Endlich. (RAINER) Wir wissen, dass alle Menschen gleich geschaffen sind. Mann und Frau, frei und unfrei, Jude und Grieche, einheimisch und fremd, alle eine und einer.

 

Wir füllen den Raum immer wieder

Ganz selbstverständlich füllen wir den Raum der Kirche(n) immer wieder mit Worten. Manchmal ganz genau auf den Punkt gebracht, manchmal mit viel zu wenigen Worten, manchmal mit viel zu vielen Worten. Manchmal ganz klug, manchmal eher am wichtigen vorbei.

Wie viele ungesagte Worte gibt es hier. Worte die herumfliegen, ganz dicht bei uns sind, aber wir hören sie nicht. Worte, die gedacht werden, wenn Kerzen am Baum entzündet werden. Hunderte jeden Monat. Worte von Menschen, die in die Kirche kommen, sich hinsetzen und denken, bitten, beten, schweigen. Worte erfüllen die Raum. Und wir wissen, diese Worte sind immer Wortfetzen, keiner denkt in kompletten ausformulierten Sätzen, es sind immer Teile. So wie die Sätze auf den Stoffbahnen. Sätze, die uns in den Kopf schießen. Sätze, die immer fragmentarisch bleiben. Worte die ausgesprochen werden im KirchenCafé, in Gruppen im Gemeindehaus oder geschrieben werden im Gästebuch. Worte bekommen eine Kraft, die größer und mehr ist als wir denken und ihr das zugetraut haben.

 

Tina

Tina Asche hat manche dieser Worte zum Klingen gebracht, hat die Kirche in diese Worte getaucht. Sie hat geschrieben, während die Kirche auf war und lebte und vielleicht hat sie die Kirche so kennengelernt, wie viele von uns nicht. Hat vielleicht jeden Tag kleine Gottesdienste erlebt, während sie da oben schrieb und die Worte malte. Menschen kamen scheinbar wortlos herein, setzten sich und gingen wieder. Andere zündetet Kerzen an, man hörte das Feuerzeug, das Klicken der Kerzen aneinander.  Mancher kam bitterlich weinend, mancher singend und lachend.

Wort für Wort – große Geschichten.
Und im Eintauchen in die Texte lernte sie einen Teil der Gemeinde kennen. Manche schrieben immer wieder. Manche veränderten sich. Erzählten von Wünschen und Hoffnungen. Manche Leute lernte Tina kennen (und lieben) im Laufe der Zeit. Die Familie, die sich ein Kind wünscht und immer wieder davon erzählt. Glückliche Geschichten, weil irgendwann das Kind kommt. Andere erzählen von Verlusten und Neuanfängen. Von Ärger und Zerwürfnissen, von kleinen Aufbrüchen und großen Abbrüchen. Immer näher kamen ihr Menschen, bis sie irgendwann wieder verschwanden. Sie gaben ihr Anteil am Leben, Stück für Stück. Warum hast Du nicht die Texte herausgesucht und diese dann per Drucker auf die Stoffbahnen geschrieben, ist Tina Asche gefragt worden, das ist doch alle möglich. Aus Demut hat sie geantwortet. Jede Geschichte, jeder Eintrag hat es verdient, dass ihm Raum gegeben wird, dass er langsam zum Klingen kommen darf. Aus Demut und Respekt gegenüber den Geschichten der Menschen ist jeder Text langsam aufgeschrieben worden. Meditativ ist jede ausgesuchte Geschichte noch einmal durchbuchstabiert worden.

 

Worte

Liebe Schwestern und Brüder,

die Texte, die Ihr hier vorne seht, sind die Originale, dahinter ist das was sich bei Schreiben durchgedrückt hat. Das hängt hinter diesen Bahnen.

Und zwischen den einzelnen Blöcken finden wir Leerstellen. Da gehören wir hin. Wir tragen uns ein mit dem, was uns an Gedanken auf dem Herzen liegt. Hier gehören unsere Fragen und Klagen, Wünschen und Hoffnungen hin. Und wir stellen beim Lesen dieser einzelnen Sätze den Zusammenhang her. Jeder Satz kann für sich stehen bleiben.

Wort für Wort,

können wir unsere Geschichte einbauen.

Entdecken Sie selbst.

Mit Gottes Segen. Amen.