Wer Bischof Jan Janssen in Dedesdorf während seines 15. Halts im Rahmen des Gottesdienstreigens „2017 – Ein Reigen von Pfingsten bis zum Reformationsfest“ hören und sehen wollte, der musste – von Oldenburg aus gesehen – nicht nur auf die östliche Seite der Weser wechseln, sondern dort auch nicht die St.-Laurentius Kirche, dafür aber das Laurentius-Haus, das Gemeindehaus der Kirchengemeinde Dedesdorf, aufsuchen. Der Grund: Seit Anfang August wird die Kirche renoviert.

Die Kirchengemeinde am rechten Ufer der Unterweser umfasst die Gemeinden Ueterlande, Overwarte, Eidewarden, Wiemsdorf, Maihausen, Büttel, Neuenlande und Dedesdorf. Orts-Pfarrerin Bettina Roth freute sich, hier Bischof Janssen an diesem 8. Oktober begrüßen zu können. „Er will heute Predigt halten zu 500 Jahren Reformation“, begrüßte sie den Bischof mit rund 60 Gemeindemitgliedern.

„Mein heilsam Wort soll auf den Plan“ (EG 273,4) hatte sich Bischof Janssen für die 15. Station ausgewählt. Text und Melodie stammen von Martin Luther aus dem Jahr 1524, die sechste Strophe aus 1545.

„Eine feste Burg – eine tragfähige Zukunft bietet unser Gott. ‚Einen frischen Blick’ wollen wir heute auf unseren evangelischen Glauben halten. Dazu soll uns das helfen, was Martin Luther für die Kirche neu entdeckt hat, im neuen Nachdenken über den Glauben, im Bibelübersetzen oder in seinen Worten und Liedern“, stieg Janssen in seine Predigt ein. Luther greife biblische Lieder, die Psalmen, auf und legt sie der Gemeinde neuformuliert in den Mund. „So eben auch Psalm 12 heute: Erst gebetet und dann gesungen.“

„Hilf, Herr! Die Heiligen haben abgenommen.“, heißt es dazu eingangs. „Haben Sie sich auch erstmals so erschreckt wie ich, beim Sprechen dieser Worte des Psalms und beim Hören dieser Worte des Propheten?“ Verbitterung, böse Erfahrungen, verstörtes Empfinden, wenn nicht Verlorenheit seien darin enthalten. „Klagt da jemand aus unserer Zeit?“, fragt Janssen. Die „Abnahme“, das „Weniger werden der Heiligen, der zu Gott Gehörenden“ oder die „Verlassenheit der Armen“ zeigen die erste Hälfte des Psalms (12,1-4) und des Liedes (EG 273, 1-3) auf. „Dazu kommt ,Lug und Trug‘, zaghaftes Nichthabenwollen oder wie hier zermürbende ,Heuchelei‘.“ Nüchtern werde der Istzustand aufgegriffen, die etwaigen Missstände beim Wort genommen und Recht eingeklagt.

Solche Lieder gebe es viele. „Wie Litaneien werden sie leider auch in unserer Kirche viel zu oft angestimmt. Doch oft, wenn ich in anderen Ländern Christen besuche und in östlichen Regionen unseres Landes Gemeinden, wird es immer neu peinlich.“ Lasse sich mit weniger Leuten und geringeren Mitteln etwa nicht zum Glauben stehen, eine lebendige Gemeinde gestalten?

Luther, der dieses Lied dichtete, nennt die Dinge beim Namen und hält Gottes Kraft dagegen, gegen den Zustand der Welt, gegen die Verhältnisse ihrer Gesellschaft und der Kirche! „Warum sollen wir diese Kraft und Konzentration eigentlich nicht aufbringen? Hier in Dedesdorf gibt es ein Beispiel dafür. Die große Kirchenrenovierung, die ihre Gemeinde zu stemmen schafft“, so Janssen.

Dann nach der ersten Hälfte mit Luthers anklagenden Strophen auf Missstand und Missbrauch der Wechsel. Die Strophe 4 ahmt dann den Psalm nach und lässt Gott selber sprechen. „Weil die Elenden Gewalt leiden und die Armen seufzen, will ich jetzt aufstehen, spricht der Herr“ (PS 12,5). In Luthers Worten: Darum spricht Gott: Ich muss auf sein, die Armen sind verstöret; ihr Seufzen dringt zu mir herein, ich hab ihr Klag erhöret (EG 273, 4).

„Dass es das Wort Gottes ist, dass uns Menschen im Volk in der Gemeinde Gottes hoffen, glauben, lieben lässt, das wird hier von beiden Textern ganz plastisch gedichtet: Gott greift ein. Indem er spricht, geschieht schon etwas, beginnt schon ein Prozess der Veränderungen dieser Welt. Weil da endlich Einer ist, der die Not in Worte fasst, der der Sehnsucht Raum gibt und dem Vertrauen eine Adresse und der Hoffnung einen Grund“, führte Bischof Janssen in seiner Predigt weiter aus.

„Mein heilsam Wort soll auf den Plan, getrost und frisch sie greifen an und sein die Kraft der Armen“ (EG 273, 4). „Dieses Wort ist weder für den Psalm noch für Luther ein billiges Gelaber oder schwächelndes Geschwätz. Der Reformator füge wieder ein Weiterdenken dem Psalm zu. Das Reinemachen des Wortes Gottes, dieses Klären und Aufhellen erfolgt, laut Luther, in dem Leben und Leiden und Sterben Jesu“, so Janssen.

Was ist aus den schroffen Worten des Propheten Jeremia zu lernen? Luther unterscheide zwischen dem Wort Gottes und dem Wirken der Menschen. Jeremia sage in der Bibel, umgangssprachlich ausgedrückt, Gottes Wort ist der Hammer. Er streite sich mit Propheten, die es heute wie damals gibt: Sprücheklopfer, Horoskopverfasser, Lügenkapitäne, Schwarzmaler, Rosaseher, Schlaumeier, Dummschnacker… Ihnen alle soll Jeremia zeigen, wo der Hammer hängt.

„An manchen Tagen trifft das ja wirklich den Nagel auf den Kopf. Bei allen Krummen und Verbogenem, wenn Menschen in Verantwortung ihr Handwerk nicht verstehen, wenn so manche, auch in der Kirche einen Hammer nicht halten können, da wünscht man sich schon, dass mal wieder einer Nägel mit Köpfen macht und diese auch so reinhaut, dass es sitz, das einen trägt oder festen Halt gibt“, erklärte Janssen.

Bischof Janssen hielt es mit dem Protestsong der 1960er Jahre „If I had a hammer“, 1949 von Lee Haye und Pete Seeger geschrieben und 1963 von Trini Lopez bekanntgemacht. Es gehe nicht um den Hammer als Waffe, Jeremia wolle ihn als Werkzeug benutzen, um aus Felsen Steine zu machen, um Alarm zu schlagen. „Wenn ich einen Hammer und eine Glocke und ein Lied hätte, dann würde ich von morgens bis abends Freiheit und Gerechtigkeit ausrufen. Übers ganze Land. Und Liebe zwischen den Schwestern und Brüdern“, übersetzt Janssen weiter.

„Der Hammer hat dann als Waffe ausgedient, klopft höchstens den Takt zum Lied. Ein Handwerkszeug, das man im Alltag der kommenden Woche gut brauchen kann – nicht nur bei einer Kirchenrenovierung: Dazu gebe uns Gott den Segen eines treffenden Wortes. Amen.“

Ein Beitrag von Peter Kratzmann.

Source: Kirche-Oldenburg