„Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder“ (Römerbrief 8, 14)
Liebe Leserinnen und liebe Leser,
Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder. Dies ist der Wochenspruch für die nun beginnende Woche.
Aha. Der Geist entscheidet über die Kindschaft. Kein Vater, keine Mutter entscheiden, ob ich ein Kind bin.
So war das auch schon bei Jesus. Im Markusevangelium heißt es, dass der Geist wie eine Taube herabkommt auf Jesus: Du bist mein lieber Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen.
Die Kirche hat das bald begriffen, dass Jesus ein Kind des Geistes ist. Nicht Josef, sondern der Geist ist sein Vater. … von einer Jungfrau geboren. Josef mag wenig erfreut gewesen sein über solche Geistesfreiheit. Hier jedenfalls könnte der Feminismus ansetzen: für gelungene Kinder braucht es mehr Geist und weniger Männlichkeit.
Und nun das große, nahezu Unbegreifliche: Wenn wir vom Geist Gottes bewegt sind, dann sind auch wir Gottes Kinder. Wir. Du und ich!
Aber: Wie geht das? Wie wird man vom „Geist getrieben, berührt, bewegt …? Wie wird man und frau Gottes Kind? Oft wird dieses „Geistbewegen“ mit dem Wehen des Windes verglichen.
Dazu folgende Geschichte: Ein Kind will wissen, wie man das Wehen des Windes begreifen kann. „Zeigt mir den Wind!“, bittet ein Kind seine Eltern, doch das können sie nicht. „Wind ist nur Luft, da gibt es nichts zu sehen.“ „Zeigt mir den Wind!“, bittet das Kind seine Lehrer, doch das können sie nicht. „Vom Wind kann man nur reden, aber sehen kann man ihn nicht.“
„Zeigt mir den Wind!“, bittet das Kind den Bettler auf der Straße. „Sieh mich an“, sagt der Bettler: „Er weht jetzt als leises Lüftchen, und meine Haare tanzen im Wind. Bald weht er als Sturm und macht, dass ich mich eng in meine Decken hülle. Bald ist er ganz still und du wirst merken, dass ich mein Gesicht voller Genuss in die Sonne strecke. Willst du den Wind sehen, dann musst du darauf achten, was er in Bewegung setzt.“
Aha, Gottes Geist erkennt man also daran, was er in Bewegung setzt. Den Wind kann man selbst nicht sehen, schließlich ist er nicht mehr als eine Bewegung in der uns alle umgebenden Luft. Aber passt auf: schnell wird er zum Sturm, zum Orkan!
Den Geisteswind erkennt man z.B. in unseren Kirchengemeinden. Ob in der Konfirmanden- oder Jugendarbeit. Ob mit älteren Menschen oder bei Hochzeiten, Taufen, Beerdigungen. In jedem Gottesdienst, bei all unseren Projekten, bei Musik und Konzerten setzen wir den Geist Gottes in Bewegung. In Gesprächen, in der Andacht und Stille, im Hören und gemeinsamen Feiern: Vieles davon ist wie der Wind kaum zu erkennen. Aber die Bewegung, die er verursacht, die sehen wir ganz klar. Menschen werden verwandelt, getröstet, gestärkt und ermutigt zur Tat.
Wohin führt das „Treiben des Geistes“, so dass wir Gottes Kinder sind? Nun, Paulus (von ihm ist ja das Wort) sagt: Der Geist ruft aus der Knechtschaft (wie in Ägypten) hin zur Liebe: Abba, lieber Vater (V. 15). So klingt der Ruf der Geisteskinder.
Kindschaft versus Knechtschaft. So bringt es Paulus auf eine kurze Formel. Nicht Unterwerfung, nicht Herrschaft, sondern Liebe. Die Möglichkeit zu sprechen und gehört zu werden. Nicht einer allein, sondern alle sollen auf ihre Weise diesen Geist leben!
Herrschaft und Knechtschaft sind stets geistlos. Auch und gerade in der Kirche. Wenn wir uns als Kinder begreifen, als solche, die angewiesen sind: aufeinander und auf den “lieben Vater”, dann sind wir SEINES Geistes Kinder.
Zuletzt ein Gedicht, ein Gebet… war es vom Kabarettisten Hans-Dieter Hüsch? Ich weiß es nicht mehr. Aber ich hatte es mir einmal notiert, trage es im Kopf und im Herzen.
Gott ist nicht leicht, Gott ist nicht schwer.
Ja, Gott ist wohl schwierig, ist kompliziert, ist hoch differenziert, aber nicht schwer.
Gott ist das Lachen, nicht das Gelächter.
Gott ist die Freude, nicht die Schadenfreude,
das Vertrauen, nicht das Misstrauen.
Er gab uns den Sohn, um uns zu ertragen,
und er schickt seit Jahrtausenden den Heiligen Geist in die Welt,
dass wir zuversichtlich sind, dass wir uns treiben lassen,
dass wir uns freuen, dass wir aufrecht gehen ohne Hochmut,
dass wir jedem die Hand reichen ohne Hintergedanken,
dass wir in allen Teilen der Welt eins und einig sind
und Getriebene des Herrn werden, von zartem Gemüt,
von fassungsloser Großzügigkeit und leichtem Geist.
Herr, hilf uns, Virtuosen zu sein, was den Heiligen Geist betrifft.
Amen.
Pfarrer Dr. Stefan Welz
Theologische Grundsatzarbeit
Bischofsbüro
Kirche-Oldenburg
„Zeigt mir den Wind!“