Ein Interview mit Martin Luther höchstpersönlich – das bekommt nicht jeder. Doch nun steht er da, in der Stadtkirche von Wittenberg, an der er vor 500 Jahren gepredigt hat, das Outfit jedenfalls stimmt. Es ist natürlich nicht Martin Luther, sondern Bernhard Naumann, der Kirchmeister der Stadtkirche. Für Fotos zum Reformationsjubiläum oder auch für Interviews schlüpft Naumann in die Rolle des Reformators. Und so ist er auch um keine Antwort verlegen, als ihm mehrere Jugendliche aus dem Ammerland mit einem Mikrophon in der Hand gegenüberstehen. Heute gehören über 80 Prozent der Wittenberger keiner Kirche an, bedauert Naumann alias Luther, da sei es vielleicht an der Zeit, die „Botschaft des Herrn“ wieder an die Menschen zu bringen, auf moderne Art und Weise eben. Und genau das hat die Jugendgruppe vor.

Gemeinsam erstellen sie eine Radiosendung für den Lokalsender „oldenburg eins“. Danach sind die Wortbeiträge auch auf einer eigenen Internetseite zu hören (http://dem-glück-auf-der-spur.de). Begleitet werden die zwölf Jugendlichen im Alter von 15 bis 21 Jahren von Kreisjugendpfarrer Stephan Bohlen aus Edewecht sowie Wolfgang Stelljes und Henning Lühr vom Evangelischen Kirchenfunk Niedersachsen-Bremen (ekn). Der ekn unterstützt kirchliche Gruppen bei der Produktion eigener Hörfunksendungen. Die Ammerländer Gruppe haben Bohlen und Stelljes im August 2010 gemeinsam aus der Taufe gehoben. Es waren Konfirmanden, die ihre eigenen Medienkonsumgewohnheiten reflektierten und dann das kleine Einmaleins journalistischer Arbeit kennenlernten, von der Themenwahl bis zur Gestaltung des ersten eigenen Beitrags. In den vergangenen Jahren produzierte die Gruppe in wechselnder Besetzung unter anderem Hörfunksendungen zur „Fairen Stadt“ Emden, zur Nutzung regenerativer Energien im Oldenburger Münsterland und zur KZ-Gedenkstätte Neuengamme. Außerdem recherchierten die Jugendlichen in Bremerhaven zum Thema Klimawandel und Migration und blickten für eine weitere Sendung hinter die Kulissen des Oldenburgischen Staatstheaters.

Das Basislager für die Recherchen in Wittenberg ist „denkbar. Der Laden“. Von hier aus schwirren die Jugendlichen in Kleingruppen aus zu ihren Interviews und Umfragen. Bei Bernhard Naumann, ihrem Interviewpartner von der Stadtkirche, haben sie Glück. Er ist ein medienerfahrener Mann – und dem wahren Luther womöglich nicht ganz unähnlich. Frei von der Leber weg und glaubensfest beantwortet er nicht nur die Fragen zu dem Reformator, sondern auch zur „Judensau“, einem umstrittenen Sandsteinrelief an der Außenfassade der Kirche. Weitere O-Töne sammeln die Jugendlichen bei einer Stadtführung, einer Straßenumfrage, einem Interview mit der Leiterin der Tourist-Information und mit einem Gästeführer im Asisi-Panorama, einem begehbaren 360-Grad-Rundbild des Künstlers Yadegar Asisi. Insgesamt entstehen an diesem Wochenende in Wittenberg sieben Wortbeiträge – viel Wort für eine einstündige Magazinsendung. Beim digitalen Schnitt und beim Texten der Moderationen unterstützen die Radiomacher von ekn. Technik und Moderation bei der Aufnahme im Studio von „oldenburg eins“ liegen in den Händen der Jugendlichen. Die Sendung, die am 19. Mai ausgestrahlt und am 21. Mai wiederholt wurde, kann unter http://dem-glück-auf-der-spur.de nachträglich gehört werden. Dort finden Interessierte auch einen Film über die Arbeit der Gruppe sowie aktuelle Informationen zum Projekt.

Wolfgang Stelljes
Source: Kirche-Oldenburg