Hannover/Oldenburg (epd). Im 50. Jahr ihres Bestehens hat die Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen mit dem Oldenburger Bischof Thomas Adomeit einen neuen Ratsvorsitzenden. Im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) erläutert der Theologe, wie man einen guten Draht zur Landesregierung pflegt, warum die Kirche sich in gesellschaftliche Debatten einbringen muss und was er von einer immer mal wieder diskutierten Fusion der evangelischen Kirchen in Niedersachsen hält.
epd: Herr Adomeit, Sie haben den Ratsvorsitz der Konföderation in außergewöhnlichen Zeiten übernommen. Welche Rolle hat die Konföderation bislang beim Management der Coronakrise gespielt?
Adomeit: Eine ganz zentrale Rolle, nach innen und nach außen. Für die evangelischen Kirchen in Niedersachsen bietet sie die Chance, angesichts großer gemeinsamer Herausforderungen noch enger zusammenzurücken. Für das Land Niedersachsen wiederum ist sie ein verlässliches Gegenüber, eine Gesprächspartnerin, die klar und konstruktiv mit einer Stimme spricht. Deshalb sind unsere Anliegen gehört worden. Deshalb gelingt es uns, in der Krise bei den Menschen zu sein – auf gewohnten Wegen, aber auch an vielen Stellen mit neuen Ideen und Initiativen.
epd: Wesentliche Aufgabe der Konföderation ist die gemeinsame Interessenvertretung der Kirchen gegenüber der Landesregierung. Wie gestaltet sich die in dieser schwierigen Zeit?
Adomeit: Das Vorgehen in Niedersachsen war sowohl seitens der Kirchen als auch der Landesregierung von Anfang an geprägt von großer Vor- und Umsicht. Die guten Zugänge der Konföderations-Bevollmächtigten etwa in den Corona-Krisenstab, in die Staatskanzlei und in das Sozial- und Gesundheitsministerium haben dazu beigetragen, dass wir stets zielorientiert und geräuschlos zu tragfähigen Absprachen gekommen sind. Dabei stand unsere Verantwortung vor dem Gemeinwesen immer an erster Stelle. Vielleicht waren wir in Niedersachsen deshalb mitunter schneller als andernorts. Als die Bund-Länder-Runde die Abstands- und Maskenpflicht in Gottesdiensten beschloss, konnten wir hier in Niedersachsen nur sagen: Das machen wir doch schon längst so!
epd: Beschränkt sich die Rolle der Konföderation auf das Gegenüber zur Landespolitik?
Adomeit: Sie hat sich weit darüber hinaus entwickelt. Heute, 50 Jahre nach ihrer Gründung, zeigt sich, dass wir das innerprotestantische Gespräch auf eine ungemein offene und vertrauensvolle Ebene gebracht haben. Ich würde behaupten, dass die Konföderation beispielgebend dafür ist, wie man eng verbunden und doch eigenständig protestantische Vielfalt leben und dabei gemeinsam vorankommen kann. Heute bearbeiten wir viele Themen übergreifend. Ich denke dabei etwa an den konfessionell-kooperativen Religionsunterricht und den Bereich Kirche und Schule insgesamt, an die Erwachsenenbildung, an die Kirche in Polizei und Zoll – um nur einige Felder zu nennen. Aus der engeren Zusammenarbeit ist zugleich tieferes Vertrauen und mehr Offenheit im Umgang miteinander gewachsen.
epd: Wenn die Kirchen der Konföderation ohnehin immer enger zusammenwachsen: Stellt sich dann nicht erneut die schon vor Jahren erörterte Frage nach einer Fusion zu einer «Evangelischen Kirche in Niedersachsen»?
Adomeit: Diese Frage stellt sich immer mal wieder – ohne dass sie derzeit akut wäre. Und sie wird sich sicher auch zukünftig stellen. Ich würde es mal aus dieser Perspektive betrachten: Alles, was unserem wichtigsten Ziel hilft, als Kirche nahe bei den Menschen zu sein, darf und muss diskutiert werden.
Derzeit nehme ich allerdings wahr, dass in unserer evangelischen Buntheit, in der strukturellen Vielfalt und den unterschiedlichen Größen unserer Kirchen eine große Stärke liegt. Wenn verschieden große Kirchen dafür arbeiten, das Evangelium zu den Menschen zu bringen, ist es aus meiner Sicht völlig in Ordnung, dass sie dafür mitunter unterschiedliche Herangehensweisen verfolgen. Die Perspektive und die guten Ideen der jeweils anderen Kirchen können dann sogar bereichernd sein. Zudem erlebe ich, dass eine Kirche, die in der Region und ihrer gewachsenen Kultur und Landschaft verwurzelt ist, besondere Identifikation bieten kann. Das sehe ich auch bei uns im Oldenburger Land: Viele Menschen hier betrachten sich zuallererst mal als Oldenburgerinnen und Oldenburger. Ihr Bezugspunkt ist zuerst die Evangelisch-Lutherische Kirche in Oldenburg.
epd: Einige Regionen Niedersachsens – etwa Osnabrück, Hildesheim und Vechta – sind durch starke Ökumene geprägt. Ihrem Vorgänger im Konföderationsvorsitz, Ralf Meister, ist das enge Miteinander von Katholiken und Protestanten ein besonderes Anliegen. Wie sehen Sie das?
Adomeit: Das bleibt ein Feld, das wir intensiv beackern müssen. Ohne Schweiß wird das aber nicht möglich sein. Ich erlebe sehr fruchtbare Gespräche mit den katholischen Glaubensgeschwistern, aber ebenso Grenzziehungen, allein schon, weil die katholische Kirche als Weltkirche in dem von Rom vorgegebenen Rahmen agieren muss. Ich sehe dennoch großen Entwicklungsspielraum für die ökumenische Zusammenarbeit. So wäre es beispielsweise lohnend auszuloten, inwieweit die evangelische und die katholische Kirche einander in Diaspora-Situationen gut vertreten können: mit gemeinsamem Religionsunterricht, konfessionsübergreifender Seelsorge und ökumenischen Gottesdiensten. Auch die Frage, ob wir zwei Weltanschauungsbeauftragte brauchen oder ob uns am Ende soviel verbindet, dass wir zu weltanschaulichen Fragen eine gemeinsame christliche Position beziehen können, wäre ein Nachdenken wert.
epd: Inwieweit werden Sie Stellung zu Themen beziehen, die nicht unmittelbar kirchlich sind, aber auf christliche Werte einzahlen?
Adomeit: Ich sehe das absolut als Aufgabe der Konföderation an. Ob wir schweigen oder sprechen – beides wird als Statement wahrgenommen. Deshalb sollten wir auch in Zukunft klar und vernehmbar Stellung beziehen, wenn es um die großen gesellschaftlichen Fragen, um die Lebensthemen der Menschen geht: etwa um Heimat, Flucht und Integration, um Leben und Sterben, um die Bedrohungen durch den Klimawandel, um gerechte Lebensverhältnisse, um Frieden und Gewalt, um Extremismus und Rassismus. Verstecken zählt nicht. Nicht politisch zu sein, ist für mich keine Option!