Bremerhaven (epd). Immer wieder andere Brautpaare betreten unter Glockengeläut und feierlichen Orgelklängen die Große Kirche in Bremerhaven. Sie kommen aus der Stadt, aus Bremen, aus Korbach und sogar aus den USA. Alle folgen sie dem Ruf von zwei Pastorinnen, die zu einer spontanen «Trauung to go» eingeladen haben. Frei nach dem Motto der Beatles: «All you need is love». Die Resonanz ist unerwartet groß: Nach weit mehr als 20 Trauungen und Segnungen müssen die Initiatorinnen die wartenden Paare vor der Kirche bitten, zu einem anderen Termin zurückzukehren.

 

Carmen (57) und Matthias Böder (61) sind für Pastorin Annika Ihlenfeld das erste Brautpaar an diesem Tag. Die beiden haben vor 32 Jahren standesamtlich geheiratet und wollen endlich kirchlich heiraten. Sie hatten in der Zeitung von der Aktion gelesen. «Die Chance wollten wir uns nicht entgehen lassen», sagt Matthias. Damals seien beide keine Kirchenmitglieder gewesen. «Doch irgendwas fehlte uns.» Vor dem Altar geben die beiden einander bewegt und mit brüchiger Stimme ein Eheversprechen. «Es ist einfach nur schön», sagt Carmen hinterher.

 

Das älteste Paar des Tages sind Renate Blievernich (84) und Wilfried Segelcke (87) aus Bremen. Seit einer zufälligen Bekanntschaft in einem Café vor 16 Jahren sind die beiden ein Paar. Beide sind verwitwet und für beide kam eine neue Hochzeit nicht infrage. «Aber wir wollten unsere Partnerschaft segnen lassen und dokumentieren», sagt Renate, die in einem feierlichen Blumenkleid erschienen ist. Während der Zeremonie halten die beiden sich die Hand. Als Pastorin Barbara Dietrich den Segen gesprochen hat, liegen sich die beiden in den Armen und geben sich einen Kuss.

 

Bundesweit ist die Zahl der kirchliche Trauungen, Taufen und Bestattungen in den vergangenen zehn Jahren enorm heruntergegangen, weiß die Pastorin Meike Barnahl, die in Hamburg die Ritualagentur «st. moment» leitet – eine Anlaufstelle für die kirchliche Begleitung in besonderen Augenblicken des Lebens. Die Kirche müsse ihre Rituale von den Menschen her denken, sagt die Expertin. «Zu ihnen hingehen und hören, was ihr Bedürfnis ist.» Genau das passiert an diesem Tag in Bremerhaven.

 

Auch der Stader Regionalbischof Hans Christian Brandy begrüßt die Aktion. Der kirchliche Segen für eine Ehe sei jederzeit und ganz unaufwändig in jeder Kirchengemeinde möglich. «In Bremerhaven ist nun in besonderer Weise erfahrbar, dass Paare ihre Liebe unkompliziert, spontan und kreativ unter Gottes Segen stellen können.»

 

Das wollen auch Marina (50) und Andreas Becker (53). Das Paar aus dem hessischen Korbach hat am Dienstag «heimlich» standesamtlich auf Helgoland geheiratet. Weil in ihrem Urlaubsquartier bei Cuxhaven am Morgen «Schietwetter» ist, machen beide einen Ausflug nach Bremerhaven. «Wir haben uns gewundert, was da für ein Auflauf vor der Großen Kirche ist und wurden neugierig», berichtet Marina. Eine Helferin klärte sie auf und versicherte, kurze Hosen und T-Shirt zur kirchlichen Trauung sei kein Problem. «Wir sind dann nochmal die Straße runter und zurück – da stand der Entschluss fest.»

 

«Mit so einem großen Zulauf haben wir nicht gerechnet», sagt Pastorin Barbara Dietrich zwischen zwei Trauungen. Sie ist ein erschöpft, den Überblick hat sie längst verloren. «Aber ich bin auch glücklich und beseelt», sagt sie mit einem Lachen. Dass nicht alle getraut oder gesegnet werden konnten, bedauere sie. «Das holen wir zeitnah und ganz unkompliziert nach. Da haben wir wohl echt einen Nerv getroffen.» Die Paare seien ganz unterschiedlich, aber nach wenigen Sätzen habe sie alle in ihr Herz geschlossen.

 

Auch das weiße Hochzeitskleid fehlt an diesem Tag nicht: Zwar sind Braut Julia Kühling-Schrickel (36) und Bräutigam Thomas Schrickel (50) seit 2016 standesamtlich verheiratet und haben zwei kleine Töchter. «Aber als ich von der Trauung to go gehört habe, habe ich Thomas gefragt, ob er mich noch einmal heiraten würde», berichtet Julia. «Er hat gegrinst und ‘Ja’ gesagt.»

Kirche-Oldenburg
«All you need is love» – Kirche kann Ansturm zur spontanen Trauung nicht bewältigen