Hannover/Bremen (epd). Das Land Niedersachsen hält ebenso wie Hamburg das Betreuungsgeldgesetz für verfassungswidrig. Die geltende Regelung berge ein Familienbild, das einem familien- und gleichstellungspolitischen Rückschritt gleichkomme, sagte Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt (SPD) am Montag in Hannover. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe muss an diesem Dienstag auf Betreiben der Hamburger Justizbehörde entscheiden, ob das Gesetz verfassungsgemäß ist.
Seit August 2013 besteht in Deutschland ein Rechtsanspruch auf Betreuungsgeld, wenn die Eltern ihre ein- bis dreijährigen Kinder nicht in eine Krippe geben, sondern ausschließlich daheim betreuen.
Im letzten Quartal des vergangenen Jahres wurde das Geld in Niedersachsen für 36.214 Kinder gezahlt. Etwa zehn Prozent der Bezieher besaßen keine deutsche Staatsbürgerschaft. In Bremen wurde es für 2.048 Kinder gezahlt. Von ihnen hatte fast jedes vierte Kind keine deutsche Staatsbürgerschaft.
Rundt betonte, besonders sozial benachteiligte Kinder könnten von einer Fremdbetreuung profitieren. Das Betreuungsgeldgesetz setze Fehlanreize und zementiere damit vorhandene soziale Schichtungen. Niedersachsen habe bereits im März 2013 eine Bundesratsinitiative zur Aufhebung des Gesetzes gestartet. Nach den Plänen des Bundeslandes sollten die freiwerdenden Mittel stattdessen in den Ausbau von Betreuungsplätzen gesteckt werden.
Auch die Bremer Vorschulexpertin Ilse Wehrmann hofft auf einen Erfolg der Hamburger Klage. «Wir brauchen das Geld zur Finanzierung von Bildung und nicht, um es in Nicht-Bildung zu stecken», sagte die ehemalige Vorsitzende der Bundesvereinigung Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder am Montag.
«Mit dem Betreuungsgeld werden Eltern belohnt, die ihren Nachwuchs nicht zur frühkindlichen Bildung in die Kita schicken», sagte Wehrmann. Wer ein staatlich subventioniertes Schwimmbad nicht nutze, erhalte auch keine Entschädigung, verdeutlichte die Expertin den juristischen Webfehler, den sie sieht.
Auch sie betonte, dass das Geld an anderer Stelle viel dringender benötigt werde. So sollte es unter anderem verwendet werden, um Erziehende vernünftig zu entlohnen und den Personalschlüssel für die Betreuung in den Kita-Gruppen zu verbessern. Was Bildung angehe, so fokussiere sich Deutschland noch viel zu sehr auf Schule und Hochschule, sagte Wehrmann.
Source: Kirche-Oldenburg