Hannover (epd). Die Autorin und Journalistin Sineb El Masrar hat muslimische Frauen dazu aufgerufen, sich stärker an der Deutung des Islam zu beteiligen. Dies könnte die Gleichberechtigung und Selbstbestimmung im Islam stärken. Seit jeher werde der Koran meistens von Männern interpretiert, kritisierte die Publizistin am Mittwoch am Rande einer Diskussion der Friedrich-Naumann-Stiftung in Hannover.
Zugleich übte El Masrar deutliche Kritik an den Islamverbänden in Deutschland. Sie ist Herausgeberin des multikulturellen Frauenmagazins "Gazelle" und Mitglied des Muslimischen Forums Deutschland, das für einen aufgeklärten Islam eintritt.
Bei vielen Themen in der islamischen Welt werde zunehmend auf religiöse Weise argumentiert, sagte die in Hannover geborene Tochter marokkanischer Einwanderer. "Es gibt aber nicht nur eine Antwort." Es sei besonders wichtig, auch weibliche Stimmen zu hören. Sie könnten vor allem Textstellen interpretieren, die von den Männern bislang vernachlässigt wurden.
Den Islamverbänden warf El Masrar vor, nicht die ganze Bandbreite der islamischen Auslegungen publik zu machen. Mit ihren einseitigen Positionen hätten die Verbände maßgeblich dazu beigetragen, dass keine kritische Auseinandersetzung mit der Religion stattfinde. "Es gibt aber eine breite Geschichte, viele spannende Gelehrte, Denker und Frauenfiguren."
Muslimische Mädchen und Frauen in Deutschland würden zudem von mehreren Seiten unter Druck gesetzt, sagte El Masrar. Trügen sie beispielweise ein Kopftuch, müssten sie mit den Vorurteilen von Nicht-Muslimen fertig werden. Legten sie das Kopftuch ab, liefen sie Gefahr, von ihrer Familie verstoßen zu werden.
Die Autorin rief Musliminnen dazu auf, mehr auf ihre eigenen Bedürfnisse zu horchen und sich nicht das Denken verbieten zu lassen. Viele achteten sehr genau darauf, was in ihren Familien und ihrem Umfeld gern gesehen werde. Es sei viel Selbstvertrauen nötig, mit alten Traditionen zu brechen. "Das muss man sich trauen."
El Masrar saß von 2010 bis 2013 in der Deutschen Islam Konferenz und wirkte 2006 in der Arbeitsgruppe "Medien und Integration" im Bundeskanzleramt mit. Im vergangenen Februar erschien ihr zweites Buch "Emanzipation im Islam – Eine Abrechnung mit ihren Feinden".
Source: Kirche-Oldenburg