Bremen (epd). Der Bremer Gesundheitsökonom und Pflegeforscher Heinz Rothgang sieht Pläne der Bundesregierung zur Anwerbung südosteuropäischer Pflegefachkräfte teilweise kritisch. Das könne den Einrichtungen in Deutschland zwar kurzfristig helfen, räumte Rothgang im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) ein. «Aber damit verlagern wir das Grundproblem ins Ausland, denn überall in Europa gibt es einen Pflegefachkräftemangel.» Deutschland lasse dann andere Länder die Ausbildungskosten tragen und werbe ab. «Das ist, was die innereuropäische Solidarität angeht, sicherlich problematisch.»

«Da wäre zumindest zu überlegen, inwieweit sich Deutschland im Rahmen von EU-Maßnahmen an den Ausbildungskosten beteiligt», schlug Rothgang vor. Überdies stelle sich konkret die Frage, wie viele ausländische Arbeitskräfte mit den entsprechenden Sprachkenntnissen wirklich kommen wollten und kurzfristig mobilisierbar wären. «Es reicht ja nicht, wenn Fachkräfte zwar wissen, wie Pflege geht, aber nicht in Kontakt mit den häufig alten und dementen Menschen treten können.» Sprachliche und fachliche Anforderungen müssten hochgehalten werden.

Mit Blick auf die Forderung nach allgemeinverbindlichen Tarifverträgen in der Branche betonte Rothgang, ein wichtiger Punkt für Neueinsteiger sei die Bezahlung. «Gerade, wenn man den Beruf auch für Männer attraktiv machen will.» Das durchzusetzen, werde aber nicht einfach sein, denn gerade die privaten Anbieter seien davon alles andere als begeistert: «Manchmal klingt das ja schon so, als sei der Kern des freien Unternehmertums der, dass man einen niedrigen Lohn aushandelt.»

Im Rahmen der derzeit gültigen Gesetze sei es bei einer derart ablehnenden Haltung eines Tarifpartners aber nicht möglich, einen Vertrag für allgemeinverbindlich zu erklären. «Wenn man das will, wird man wohl zunächst das Tarifvertragsgesetz ändern müssen.»

Für diejenigen, die schon länger in der Pflege tätig seien, stünden neben dem Geld die Arbeitsbedingungen und da vor allem eine bessere Personalausstattung im Vordergrund. Angesichts eines leer gefegten Fachkräftemarktes sei ein größerer Anteil an Vollzeitstellen unmittelbar hilfreich. «In vielen Häusern gibt es immer noch wahnsinnig hohe Teilzeitquoten, und zwar teils unfreiwillig», sagte Rothgang.

Höherer Vollzeitquoten erforderten aber eine veränderte Arbeitszeitgestaltung etwa durch eine bessere Verteilung von Aufgaben über den Tag. Rothgang: «Da ist noch nicht genug Fantasie seitens der Einrichtungen zu sehen und zu wenig Bereitschaft, von den Einrichtungen zu lernen, die hohe Vollzeitquoten haben. Da haben wir ein bisschen zu viel Jammerkultur.»

Source: Kirche-Oldenburg