Digitale Medien sind spannende Zeitfresser und sehr beliebt, besonders unter Kindern und Jugendlichen. Doch wann ist die Grenze zur Sucht überschritten? Eine neue Internetplattform bietet Anhaltspunkte und listet Hilfen auf.

Bremen (epd). Das Bremer «ServiceBureau Jugendinformation» und die Techniker Krankenkasse haben online eine Informations- und Beratungsplattform zur Nutzung digitaler Medien und zur Mediensucht gestartet. Die Internetseite ist ab sofort unter der Adresse «www.mediensucht-bremen.de» erreichbar. Begleitend werde eine Selbsthilfegruppe für Angehörige von Kindern und Jugendlichen mit problematischer Mediennutzung angeboten, sagte am Donnerstag Medienpädagoge Sebastian Reuser. Das Portal wurde in Verbindung mit einem Fachtag zur Mediensucht in der Jugendbildungsstätte Lidice-Haus vorgestellt.

In der gesellschaftlichen Diskussion gibt es kein Einvernehmen darüber, wann die Grenze zwischen normaler Nutzung von Smartphone, Tablet und Computer und einer Sucht überschritten ist. Eine Sucht liege vor, wenn der Umgang mit digitalen Medien das Denken und Handeln bestimme und gleichzeitig Schule und Freundschaften vernachlässigt würden, erläuterte seine Sicht der Mediziner Christoph Möller am Rande des Fachtages. Er arbeitet als Chefarzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik am Kinderkrankenhaus Auf der Bult in Hannover.

Studien zufolge beträgt die tägliche Internetnutzungsdauer in Deutschland durchschnittlich etwa 2,5 Stunden. Mit 4,5 Stunden pro Tag sind Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 14 und 19 Jahren am längsten online. Was süchtig bedeute, könne aber nicht nur mit einem Blick auf die Nutzungszeiten beurteilt werden, warnte Katharina Lühring, Expertin für pädagogische Psychologie aus Emden. «Zentral ist die Frage, ob die Teilhabe am täglichen Leben gelingt.»

Möller widersprach der allgemein vorherrschenden Auffassung, dass digitale Medien Lernprozesse entscheidend unterstützten. Studien zeigten, dass klassische Methoden effektiver seien. Im Gegenteil lenke die Einbindung von Smartphones und Tablets im Unterricht ab und stehe einer vertieften Auseinandersetzung mit dem Lernstoff eher im Wege: «Entscheidend ist die Persönlichkeit des Lehrers.»

«Medienkompetenz beginnt mit Medienabstinenz», betonte Möller. Er fügte hinzu, an erster Stelle müssten Grundbildung, das Interesse an der Welt und Bewegung als zentrales Lernelement der Selbststeuerung stehen. Reuser riet Eltern, mit ihren Kindern über Fragen der Mediennutzung ins Gespräch zu kommen. Digitale Geräte seien Teil der Jugendkultur, Verbote der falsche Weg. «Wichtig ist eine wertschätzende Grundhaltung, egal, ob man nun soziale Netzwerke, Online-Spiele und Youtube mag oder nicht.»

Viele Eltern setzten sich mit dem Thema gar nicht auseinander, sagte Sören Schmidt-Bodenstein, Leiter der Techniker Krankenkasse im Land Bremen. Dabei sei ihr persönliches Vorbild wichtig. «Beispielsweise, ob gemeinsame Mahlzeiten Smarthone-frei sind.» Studien der Techniker Krankenkasse zufolge leiden Extremsurfer unter den 12- bis 17-Jährigen häufiger unter gesundheitlichen Problemen. Schmidt-Bodenstein berichtete, sie klagten doppelt so oft über Schlafstörungen, Kopf- und Rückenschmerzen sowie Konzentrationsstörungen.
Source: Kirche-Oldenburg