Anfang September stellt Entwicklungsminister Müller das Siegel «Grüner Knopf» für nachhaltig produzierte Kleidung vor. «Brot für die Welt» mahnt strengere Vergabekriterien an. Die Textilbranche lehnt das Siegel ab.

Berlin/Osnabrück (epd). Das evangelische Hilfswerk «Brot für die Welt» plädiert für Nachbesserungen beim neuen staatlichen Gütesiegel «Grüner Knopf», das für sozial und ökologisch produzierte Textilien vergeben werden soll. Das Siegel gehe in die richtige Richtung, weitere Schritte müssten aber folgen, sagte der entwicklungspolitische Beauftragte bei «Brot für die Welt», Thilo Hoppe, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der Branchenverband «textil+mode» beklagte derweil ein nicht nachvollziehbares «Bashing» gegen die Textilindustrie.

Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) will das von ihm initiierte Siegel am 9. September offiziell vorstellen. Hoppe sagte, in der Präambel der Satzung des Siegels sei zwar das Ziel verankert, alle Stufen der Lieferkette unter die Lupe zu nehmen. Diese Ankündigung müsse aber auch in absehbarer Zeit umgesetzt werden. Neben den Produktionsstufen «Zuschneiden und Nähen» sowie «Bleichen und Färben» müssten beispielsweise auch die Produktionsstufen «Baumwollernte» und «Garnherstellung» mit in die Bewertung zur Siegel-Vergabe einfließen.

Der frühere Grünen-Bundestagsabgeordnete Hoppe schätzt, dass in der Startphase etwa 20 bis 30 Unternehmen mitmachen und Produkte mit dem «Grünen Knopf» auszeichnen lassen. Wohin die Entwicklung geht, lasse sich jedoch schwer abschätzen. «Die Verbände der Branche haben kein Interesse an dem Siegel», sagte der 61-Jährige. «Sie bekämpfen es.»

Vor allem mit der Offenlegung von Produktionsstätten in Entwicklungsländern hätten einige Firmen Probleme. «Viele ziehen sich auf das Betriebsgeheimnis zurück und argumentieren, dass die Konkurrenz die Veröffentlichung von Produktionsdetails ausnutzen würde», sagte Hoppe. Transparenz sei für die Verbraucher aber «total wichtig».

Das Hilfswerk terre des hommes äußerte grundsätzliche Bedenken an der Wirksamkeit des Siegels. «Die große Anzahl der Kinder- und Menschenrechtsverletzungen im Textilsektor zeugt davon, dass dringendes Handeln gefordert ist», sagte Vorstandssprecher Albert Recknagel der «Neuen Osnabrücker Zeitung» (Samstag). Er sei jedoch skeptisch, ob das neue Siegel eine positive Wirkung haben werde. «Es ist fraglich, ob ein nationaler Alleingang die notwendige Kraft im Markt entfalten kann, damit sich eine Branche weiterentwickelt.»

Die Textilbranche sieht sich indes zu Unrecht Vorwürfen ausgesetzt. «Das Bashing der deutschen Textilindustrie kann ich nicht nachvollziehen, und es ist fehl am Platz», sagte die Präsidentin des Gesamtverbands «textil+mode», Ingeborg Neumann, der «Neuen Osnabrücker Zeitung». Unternehmen würden bereits heute ihre Verantwortung für Umwelt- und Sozialstandards in der Produktion wahrnehmen. Sowohl im Inland als auch bei der Produktion im Ausland seien der Industrie die Standards wichtig.

Ein neues, nationales Siegel sei für die Branche nicht der richtige Weg zu mehr Nachhaltigkeit, fügte Neumann hinzu: «Ein solches Siegel braucht es nicht. Es braucht ein europaweites Textilbündnis.» Im deutschen Textilbündnis, einer Partnerschaft von Unternehmen, Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften und der Politik, seien schon wichtige Fortschritte erreicht worden.

Dass in dem Bündnis nicht alle Unternehmen Mitglied seien, heiße nicht, «dass sich die andere Hälfte nicht engagiert oder die Standards nicht leisten kann oder will», fügte die Verbandschefin hinzu.

Source: Kirche-Oldenburg