Er war Bischof in Berlin und von 2003 bis 2009 oberster Repräsentant des deutschen Protestantismus: Nun wird Wolfgang Huber 75 Jahre alt. Der renommierte Theologe meldet sich weiter mit pointierten Beiträgen zu ethischen und sozialen Fragen zu Wort.
Berlin/Hannover (epd). Die Wortmeldungen von Wolfgang Huber finden immer noch Gehör, auch wenn der ehemalige Berliner Bischof und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) seit 2009 nicht mehr im Amt ist. Aber weiterhin hat seine Meinung zu ethischen und politischen Fragen Gewicht, und seine Beiträge zur Debatte sind pointiert und präzise. Am 12. August wird der renommierte protestantische Theologe 75 Jahre alt.
Wolfgang Huber habe «dafür gesorgt, dass die Kirchen sich nicht in den Raum privater Frömmigkeit abdrängen lassen», würdigte ihn Frank-Walter Steinmeier. Als Steinmeier dies in einem Vorwort für eine Huber-Biografie schrieb, war er noch Außenminister, heute ist er Bundespräsident – ein Amt, für das der Spitzenprotestant Huber selbst mehrfach im Gespräch war. Er wäre es gern geworden, räumte Huber 2012 ein – aber Joachim Gauck sei eine sehr gute Wahl, sagte er damals.
Für Huber stehen Kirche, Politik und Öffentlichkeit stets in Beziehung – ganz in der Tradition des von ihm verehrten Dietrich Bonhoeffer (1906 – 1945). «Die Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist», hatte der von den Nazis verfolgte und ermordete Theologe postuliert. So treibt den Sozialethiker Huber die Sorge um den Zusammenhalt der Gesellschaft besonders um. Die Debatte, wie die Kirche mit rechtspopulistischen Strömungen umgehen solle, laufe derzeit nicht gut: «Wie erreichen wir als Kirche einen Teil dieser Menschen, statt sie zu ignorieren?» fragt er sich.
Der stets selbstbewusst auftretende Theologieprofessor ist in den letzten Jahren nachdenklicher geworden. Er habe Grund zur Dankbarkeit. «Sogar das Wort Demut hat für mich an Bedeutung gewonnen», sagt er im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst
(epd) mit einem Augenzwinkern.
Ein strenges Leistungsdenken, das seine Karriere prägte, ist Wolfgang Huber aus dem Elternhaus mitgegeben worden. Vater Ernst-Rudolf, einer der führenden Verfassungsrechtler der NS-Zeit, verbrachte die Nachkriegsjahre, in denen er wegen seiner Verstrickung keine Professur erhielt, dennoch täglich am Schreibtisch, während seine Mutter Tula, Tochter des Reichsaußenministers Walter Simons, als Rechtsanwältin die Familie durchbrachte.
Als jüngster von fünf Brüdern wird Wolfgang kein Jurist, sondern Theologe. Nach Vikariat und Aushilfs-Pfarrstelle geht er 1968 an die Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft, eine protestantische Denkfabrik in Heidelberg. Ab 1980 lehrt er dann als Universitätsprofessor, in Marburg Sozialethik und in Heidelberg systematische Theologie. 1985 leitet Huber als Präsident den Kirchentag in Düsseldorf.
Für die SPD steht er 1993 vor einer Bundestagskandidatur, doch er entscheidet sich für das Bischofsamt in Berlin, das er bis 2009 ausübt. «Es war ein Glücksfall für unsere Kirche, dass Huber 1994 nicht in die Politik gegangen ist», sagte sein Nachfolger im Ratsvorsitz, Nikolaus Schneider. Huber hat den deutschen Protestantismus repräsentiert und geprägt wie kaum ein anderer Ratsvorsitzender. In den Jahren von 2003 bis 2009 hat er einen hohen Maßstab gesetzt, an dem auch Amtsinhaber Heinrich Bedford-Strohm immer wieder mal gemessen wird.
Das unter Hubers maßgeblicher Initiative entstandene Impulspapier «Kirche der Freiheit» setzte einen Reformprozess in Gang, um die EKD für Zeiten mit weniger Mitgliedern und knapperen Mitteln auszurichten. Die günstige Entwicklung der Kirchenfinanzen habe allerdings die Kirche reformmüde gemacht, resümiert Huber nach mehr als zehn Jahren. Nach den Feiern zum Reformationsjubiläum 2017 sei ein neuer Anlauf nötig, ist er überzeugt: «Die Ziele sind richtig – eine Konzentration auf den Kern unseres kirchlichen Auftrags zu verbinden mit dem Brückenschlag zu den Menschen, die den Kontakt zum christlichen Glauben verloren haben.»
Den Kritikern der Feiern zum Reformationsjubiläum will sich Huber nicht anschließen – die Weichen sind schließlich in seiner Amtszeit gestellt worden. «Dass ich dem zugestimmt habe, bereue ich nicht.» Die Zahl von rund 100.000 Teilnehmern beim Kirchentag sei für Berlin hervorragend. Von dem Christentreffen sei ein Signal der Orientierung in unübersichtlichen Zeiten ausgegangen.
Huber ist präsent geblieben. Im Ruhestand vertrat er bis 2014 die EKD im Deutschen Ethikrat. Noch immer engagiert er sich für seine Kirche, etwa im Domstift zu Brandenburg an der Havel und für das umstrittene Wiederaufbauprojekt der Potsdamer Garnisonkirche. Er ist Honorarprofessor der Humboldt-Universität Berlin sowie der Universitäten Heidelberg und Stellenbosch (Südafrika). Darüber hinaus hält er Vorträge für Unternehmen und Verbände, wie jüngst die Berliner Stiftungsrede oder auch zum 125-jährigen Jubiläum des Hauptstadt-Fußballclubs Hertha BSC.
Als größtes Glück betrachtet er die Ehe mit seiner Frau Kara, mit der er im August 51 Jahre lang verheiratet ist. Das Paar hat drei erwachsene Kinder und sechs Enkel. Wolfgang Huber will seinen 75. Geburtstag im Kreis von Freunden und Familie auf dem Land in Brandenburg feiern.
Source: Kirche-Oldenburg