Bremen (epd). «Auf Dich ist immer Verlass, das Kleid steht Dir gut, Du hast tolle Sommersprossen. Ich arbeite wirklich gerne mit Dir zusammen»: Wer sich unter die «Komplimente-Dusche» in der Ausstellung des Bremer Wissenschaftsmuseums «Universum» stellt, wird mit Lob überhäuft. Sollte man sich das zum Vorbild nehmen und zum Valentinstag statt Blumen reichlich Komplimente verschenken? Absolut empfehlenswert, meint der Bremer Hirnforscher Gerhard Roth. Und das nicht nur zum Valentinstag an diesem Dienstag.
epd: Herr Roth, in Deutschland gilt noch immer das geflügelte Wort ‘nicht geschimpft ist genug gelobt’. Warum tun sich gerade die Deutschen mit Lob und Komplimenten so schwer? Italiener sollen da ganz anders sein.
Gerhard Roth: Dass Italiener ebenso wie die Angehörigen vieler anderer südlicher Länder oft freigebig mit Lob und Komplimenten umgehen, kann ich bestätigen, denn ich habe meinen zweiten Wohnsitz in Italien. Zu loben und dabei manchmal auch richtig dick aufzutragen gehört dort zum normalen sozialen Alltag. Und jeder akzeptiert, dass dabei oft dick aufgetragen wird. Ein Kompliment ist ein probates Mittel, die Zuneigung anderer Menschen zu erwerben oder zu erhöhen, oft zum eigenen Vorteil. Es hilft natürlich auch, soziale Spannungen abzubauen. Wir Deutsche sind eher bereit, Spannungen auszutragen als sie mit Komplimenten abzuschwächen oder einfach nur zu umgehen. Für uns sind Komplimente oft nur Floskeln. Wir glauben, man müsse mit Lob und Komplimenten sparsam umgehen, weil Lob – insbesondere wenn dick aufgetragen – schnell seine Wirkung verliert. Das ist auch richtig, kann aber auch zu übertriebener Sparsamkeit beim Loben führen, was wiederum demotivierend wirkt. ‘Nicht geschimpft ist genug gelobt’ ist jedenfalls pädagogisch ganz falsch. Es kommt wie so oft auf den feinfühligen Mittelweg beim Loben an: Man soll nicht zu oft, aber doch mehr als in Deutschland üblich loben.
epd: Im Bremer Wissenschaftsmuseum ‘Universum’ steht eine ‘Komplimente-Dusche’. Der Brausekopf ist zum Lautsprecher umgebaut, aus dem unablässig Lob fließt. Das löst bei vielen Gästen ein Lächeln aus. Warum tun uns Komplimente gut?
Gerhard Roth: Der Effekt im Gehirn ist immer derselbe, nämlich eine vermehrte Ausschüttung von neuronalen Wirkstoffen: Oxytocin für das Bindungsgefühl, hirneigene Opioide, die freudige Erregung auslösen und Dopamin, das uns nach weiterer Belohnung streben lässt. Das Selbstbewusstsein wird gestärkt, wir fühlen uns gut und strengen uns an, um mehr Lob zu erhalten. Lob und Komplimente sind deshalb ‘Schmiermittel’, um Menschen einerseits zu erfreuen und sie andererseits zu weiteren Leistungen anzuspornen. Außerdem verstärkt Lob die Abhängigkeit des Gelobten vom Lobenden und stärkt dessen Macht. Manche Menschen mit einem geringen Selbstwertgefühl können deshalb süchtig nach Lob werden.
epd: Was macht Ihrer Meinung nach ein gutes Kompliment aus?
Gerhard Roth: Das ist, wie gesagt, von der Kultur abhängig, in der man lebt. Aus Sicht der Deutschen darf ein Lob oder Kompliment nicht floskelhaft, sondern muss ehrlich sein, sonst motiviert es nicht. Kleine Kinder sind empfindlicher gegen ungerechtfertigtes Lob als Erwachsene, und man sagt ‘falsches Lob verdirbt den Charakter’. Übertriebenes Lob kann das Selbstbild verbiegen und gefährliche Folgen für die Entwicklung der Persönlichkeit haben. Wenn Eltern ihr durchschnittlich begabtes Kind ständig als ‘hochbegabt’ ansehen und es für geringe Leistungen sehr loben, dann wird dieses Kind es später sehr schwer haben, die Qualität der eigenen Leistungen richtig einzuschätzen. Es wird entweder zum krassen Egozentriker oder an der Realität scheitern. Lob und Komplimente sollten also im Kern gerecht und verdient sein. Aber ein motivierendes leichtes Übertreiben ist auch nicht verboten. Man merkt das, aber man hört es doch auch gern.
Source: Kirche-Oldenburg