Im Lutherjahr steht in Wildeshausen musikalisch nicht Luther selbst, sondern sein Vorläufer im Mittelpunkt. Am kommenden Wochenende feiert das Jan-Hus-Requiem „Wahrheit in Flammen“ Premiere. Am vergangenen Wochenende starteten die gemeinsamen Proben von Chor und Orchester und es gab eine Einführungsveranstaltung mit Komponist Ralf Grössler und dem Reformationsbeauftragten Nico Szameitat, der über das Leben von Jan Hus berichtete.

„Wir wissen heute, dass Jan oder auch Johannes Hus durch die Schriften des englischen Reformators John Wyclif regelrecht infiziert wurde, noch im selben Jahr anfing Theologie zu studieren und im Jahr 1400 zum Priester geweiht wurde. Jan Hus war nun Universitätsprofessor und Priester in Prag. Zwei Jahre nach seiner Priesterweihe fing er an in der Bethlehemskapelle in Tschechisch, also in der Landessprache zu predigen, wie gut Hundert Jahre später auch Martin Luther. Diese Predigten zogen große Aufmerksamkeit auf sich. Überhaupt ist Jan Hus kein Theologe, der durch theologische Schriften Aufmerksamkeit erregt, sondern vor allem als Prediger“, berichtet Szameitat. Er erzählte natürlich auch vom Ende des Reformators, der am 6. Juli 1415 in Konstanz auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde.

„Ohne Vorläufer wie Wycliff oder Jan Hus wäre Luthers Wirken nicht denkbar“, erläutert Grössler, warum er im Lutherjahr ein Requiem zum böhmischen Reformator Hus aufführt. Vor dem Komponieren hat er sich intensiv mit dessen Leben befasst und kam so auch zum Titel „Wahrheit in Flammen“. Doch „die Wahrheit stirbt nicht in den Flammen“, so soll es Jan Hus gesagt haben und so lässt es Grössler seinen Chor singen. „Der Text muss ganz deutlich zu verstehen sein. Das ist die Kernaussage des Stückes“, gibt der Komponist seinen Musikern und Sängern bei der Probe des Schlusschorals mit auf den Weg. Den Text zu diesem Choral hat der Liederdichter und Theologe Eugen Eckert geschrieben, der alle deutschen Texte für das Requiem geschrieben hat.

Viele Stücke der Requiems-Liturgie bleiben aber auch in lateinischer Sprache. Ergänzt werden sie durch in die Dramaturgie passende Jesusworte aus der Bibel. Diese werden von der Solistin Joanne Bell im Blues-Gewand auf englisch gesungen. „Joanne ist sozusagen der Evangelist in diesem Stück“, sagt Grössler. Die direkten Bibelzitate sind ihm wichtig, weil sie zeigen, was für Hus das Entscheidende war. „Es ist die Bibel die wir brauchen. Christus nicht der Papst ist das Haupt der Kirche. Das war Hus Überzeugung“, erläutert Grössler. Und so lässt Grössler es im Schlusschoral singen: „Die Wahrheit stirbt nicht in den Flammen, die Wahrheit selbst ist Gottes Wort. Es hilft nicht, Denker zu verdammen, die Schrift bleibt ewig Ausgangsort. Und die sagt: Christus ist das Haupt der Kirche, die wahrhaftig glaubt.“

Während dieses Lied kraftvoll die Alexanderkirche füllt ging es im Stück „Lux aeterna“ davor noch viel spielerischer zu. „Lux aeterna“ ist im katholischen Requiem die Bitte um das ewige Licht, das den Verstorbenen scheinen möge. Im Jan-Hus-Requiem ist auch dieses Stück direkt auf Jan Hus bezogen. „Ich will dieses Stück sehr beschwingt und tänzerisch“, erläutert Grössler. Denn beim Komponieren hat er hier an seine Vorstellungen von der Ewigkeit einfließen lassen. Für ihn werden die Seelen im ewigen Licht schweben und tanzen. Und Chor und Orchester lassen zusammen Grösslers Idee lebendig werden. „Für uns Musiker ist es auch immer ein besonderer Moment, wenn wir die Stücke nach den einzelnen Proben endlich gemeinsam spielen und der Chor dazu sagt“, sagt Jutta Diederichs. Sie findet Grösslers Kompositionen angenehm zu spielen. Dabei hat der Wildeshauser Kantor durchaus Schwierigkeiten eingebaut.
 
Name gibt die Tonarten vor
„Die Harmonik ist die größte Herausforderung bei diesem Requiem“, erläutert Grössler. Denn durch den Namen Hus hatte Grössler die Idee aus den beiden Tonarten H-moll und es-moll ein Leitmotiv für Jan Hus zu entwickeln. Der Glanz um den Reformator erstrahlt musikalisch in der Tonart h-Moll. Zwei Kreuzvorzeichen verleihen dieser Tonart ihren glanzvollen Klang. Für die Tragik verwendet Grössler die „dunkle“ Tonart es-Moll. „Für die Musiker bedeutet das, ständig zwischen den Kreuz- und b-Vorzeichen hin- und herspringen zu müssen“, sagt Grössler.

Seit Mai hat Grössler mit seinem Chor für die Aufführung geübt. Bei der ersten gemeinsamen Probe mit dem Orchester ertönte nun erstmals der überwältigende Klang, der die Zuhörer bei der Premiere an diesem Freitag begeistern soll. Grössler zeigte sich sehr zufrieden mit seinen Sängern und Musikern: „Alle sind sehr auf mich eingespielt und sehr gut vorbereitet.“ Bei allen ist die Vorfreude auf die Premiere am kommenden Freitag spürbar.

Die Uraufführung des Requiems findet an diesem Freitag, 20. Januar, um 20 Uhr in der Alexanderkirche statt. Weitere Konzerte folgen am Sonnabend, 21. Januar, um 20 Uhr, sowie am Sonntag, 22. Januar, um 17 Uhr. Karten gibt es noch an der Abendkasse. Beteiligt sind der Gospelchor „Joyful Voices“, das „Sinfonic Gospel Orchestra“ sowie ein Auswahlchor aus Kantorei und Gospelchor. Gefördert wird das Projekt im Rahmen von „Freiheitsraum Reformation“ von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.
Kerstin Kempermann
Source: Kirche-Oldenburg