Seit mehr als drei Jahrzehnten arbeiten evangelische Pastorinnen und Pastoren aus aller Welt für einige Jahre in deutschen Kirchengemeinden. Sie sollen ihren eigenen Horizont und den der Gastgeber erweitern. Sybil Chetty ist eine von ihnen.
Osnabrück/Hannover (epd). Pastorin Sybil Chetty ist schon seit einigen Monaten an ihrem neuen Arbeitsplatz in der Osnabrücker Südstadtkirchengemeinde. Die Südafrikanerin versteht und spricht immer besser Deutsch. Gleich von Beginn an hat sich die 50-Jährige mit ihrer offenen, herzlichen Art überall eingebracht. Mindestens vier Jahre wird sie in Osnabrück bleiben. Fast immer steht ein strahlendes Lächeln auf ihrem Gesicht. So bereitet sie Gottesdienste mit vor, begleitet Arbeitskreise mit Senioren oder Projekte mit Konfirmanden. Am Sonntag wurde sie in der Lutherkirche vom Osnabrücker Superintendenten Joachim Jeska offiziell in ihr Amt eingeführt.
Sybil Chetty nimmt an einem Austauschprogramm der hannoverschen Landeskirche und des Evangelisch-lutherischen Missionswerks in Niedersachsen teil. «Seit über 30 Jahren laden wir Pastoren und Pastorinnen aus unseren Partnerkirchen ein, eine Zeit lang mit uns zu leben und in unseren Gemeinden zu arbeiten», sagt Oberlandeskirchenrat Rainer Kiefer aus Hannover. Sie kommen aus Swasiland, Indien, Äthiopien oder Brasilien und bleiben im Schnitt fünf Jahre. Im Haushaltsplan der Landeskirche sind laut Kiefer immer zwei Stellen dafür vorgesehen. Umgekehrt werden auch Kollegen aus Deutschland in die Partnerkirchen geschickt.
Jeska lobte in seiner Einführungsansprache Chettys Überzeugungskraft und Motivation. «Manches Mal sprühen Sie regelrecht vor Elan.» Ein Christentum, das auf Menschen zugehe und einladend wirke, liege ihr am Herzen. Es sei ihr wichtig, den Glauben fest im Alltag zu verankern. Diesbezüglich könne die Kirche in Deutschland durchaus noch etwas von der neuen Kollegin lernen.
Derzeit ist außer Chetty, die zunächst ohne ihren Mann und die beiden Kinder angereist ist, noch Pastor Charles Raj aus Südindien in Niedersachsen. Er arbeitet in den Nordstadtgemeinden in Hannover. Auch andere deutsche Landeskirchen haben ähnliche Programme, sagt Kiefer. Alle seien weltweit vernetzt. «Es ist wichtig, Erfahrungen auszutauschen und voneinander zu lernen.» Bedingung sei immer, dass die Pastoren nach einigen Jahren in ihre Kirchen zurückkehrten.
Die Reaktionen auf das neue Gesicht in der Osnabrücker Südstadt sind anerkennend bis begeistert: «Mehrsprachige Gottesdienste – wir sind alle überrascht, wie gut das funktioniert», sagt Renate Jacob. Die Pastorin der Südstadt-Kirchengemeinde ist erste Ansprechpartnerin für ihre Kollegin aus der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Südafrika. «Sybil bringt ein Stück Weltläufigkeit in unsere Gemeinde, das weitet den Horizont.»
Die Südafrikanerin arbeitet in Osnabrück mit einer halben Stelle als Pastorin. Mit einer weiteren halben Stelle ist sie für das Missionswerk in Gemeinden und Kirchenkreisen als Referentin unterwegs. Chetty selbst ist dankbar für ihre neue Aufgabe. «Gott hat mich hierher gebracht, und ich möchte von meinen deutschen Kollegen viel lernen, die mir hier den Start sehr leichtmachen», sagt sie.
Sehr beeindruckt hat sie bislang vor allem die Ökumene. Gerade im Jahr des 500. Reformationsjubiläums werde deutlich, dass katholische und evangelische Christen nicht nur selbstverständlich miteinander Gottesdienste feierten, sondern sich auch über Verletzungen und Fehler beider Seiten in der Vergangenheit austauchen könnten.
Chetty will in ihr neues Arbeitsfeld aber auch das einbringen, «was ich in 19 Jahren Berufserfahrung in Durban gelernt habe.» In Südafrika sei schon manches anders: Die Kirchen seien viel kleiner. Dafür spiele sich das gesamte Gemeindeleben in ihnen ab. Gemeindehäuser? Fehlanzeige. Die Pastoren seien oft nur der Motor. Ehrenamtliche hätten viel mehr Einfluss, zeigten mehr Eigeninitiative. Aufgefallen sie ihr in Deutschland, dass die Mitarbeitenden ihre Kirche oft selbst ins schlechte Licht rückten. «Ihr redet immer davon, dass eure Kirchen leerer werden und aussterben. Dabei macht ihr eure Sache richtig gut und leistet viel», sagt sie. «Wir müssen das Gute sehen und betonen.»
Source: Kirche-Oldenburg