Seit mehr als 25 Jahren berät der Mann im Auftrag verschiedener Organisationen in Konflikten, die zu eskalieren drohen. Weltweit. Dabei hat der Friedensarbeiter Hagen Berndt schon Menschenleben gerettet – wie in Osterholz-Scharmbeck bei Bremen.

Osterholz-Scharmbeck (epd). Gestern war Hagen Berndt noch im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit im nordirakischen Dohuk. Heute verhandelt der 55-jährige Experte des Forums Ziviler Friedensdienst in der Kleinstadt Osterholz-Scharmbeck bei Bremen. Auf dem Landweg liegen die Orte 4.200 Kilometer voneinander entfernt. Und doch haben sie etwas gemeinsam, denn sowohl in der deutschen Kreisstadt als auch in der kurdischen Provinzhauptstadt geht es um zivile Konfliktbearbeitung. Berndt hilft dabei: Ein Weltreisender in Sachen Frieden. Einer, der zuhört und Fragen stellt, die weiter bringen.

Irak, Afghanistan, Indien, Tschad, Sri Lanka, Israel und Palästina, Nepal, Ägypten, Tunesien, Bosnien-Herzegowina: In vielen Krisenregionen der Welt hat der Indologe und Islamwissenschaftler, der neben Englisch auch Hindi, Sinhala und Urdu spricht, schon gearbeitet. Aktuell geht es in der Region um Dohuk um Hunderttausende, die auf der Flucht vor der Terrormiliz Islamischer Staat und den Milizen des Assad-Regimes Zuflucht im kurdischen Nordirak suchen. «In einigen Orten gibt es inzwischen mehr Flüchtlinge als Einheimische», berichtet Berndt. Die Stimmung ist gereizt. Die Frage lautet: Wie können gewalttätige Auseinandersetzungen vermieden werden?

In Osterholz-Scharmbeck arbeitet Hagen Berndt seit 2011 in einem sozialen Brennpunkt, einer Siedlung, die ehemals für US-Soldaten gebaut wurde. Nach ihrem Abzug leben dort nun etwa 740 Menschen, mehr als die Hälfte von ihnen mit ausländischen Wurzeln. Drogenhandel und offene Gewalt, auch gegen Polizeibeamte, ließen die Situation im Quartier eskalieren. Berndt entwickelte gemeinsam mit Vertretern der Polizei, der Stadt, des Landkreises und des örtlichen Präventionsrates ein Konzept, um dem zu begegnen.

Dabei geht es in erster Linie um – Gespräche. «Friedensprozesse beginnen mit der Artikulation von lange vernachlässigten Bedürfnissen von Minderheiten – gelegentlich auch von Mehrheiten», betont Berndt, der zusammen mit Kindern der dänischen Minderheit in Flensburg aufwuchs. Seine Mutter stammt aus Polen, sein Vater aus Stettin. Flucht und Vertreibung in seiner Familie prägten den Mann, der seit mehr als 25 Jahren als Berater und Trainer zur Konfliktbearbeitung für verschiedene Auftraggeber im In- und Ausland unterwegs ist.

Manchmal schaltet er sich auch bei Problemlagen ein, die gar nicht weit weg sind. Zum Beispiel, wenn Berndt Gespräche in Auseinandersetzungen zwischen der Leitung und der Elternvertretung eines Kindergartens moderiert. Oder wenn er die Ziele örtlicher Protestbewegungen gegenüber einer Firma vermittelt, die mit gentechnisch manipulierten Pflanzen experimentiert. Oder in Gesprächen mit der Einsatzleitung der Polizei bei Atomtransporten im Wendland. Während die Situation im Irak gerade analysiert wird und die Arbeit noch am Anfang steht, hat sie in Osterholz-Scharmbeck längst Früchte getragen. Das zeigte sich vergangenes Jahr, als nach einer Messerattacke ein junger Mann aus der Siedlung starb.

Familienmitglieder im Libanon forderten Blutrache, die aber nach vielen Gesprächen verhindert werden konnte. «Das war nur möglich, weil wir über Jahre Kontakte aufgebaut haben», sagt Berndt, der lange in der «Kurve Wustrow» gearbeitet hat, einer Bildungs- und Begegnungsstätte für gewaltfreie Aktion nahe Gorleben.

Ein wichtiges Instrument der Prävention in Osterholz-Scharmbeck ist das «Quartiersforum» im Jugendhaus «Pumpelberg», gleich neben dem Brennpunkt. Das Forum ist aus dem Beratungsprozess heraus entstanden und trifft sich mehrmals jährlich. Doch trotz jahrelanger Bemühungen wie in Osterholz-Scharmbeck könne man als Friedensarbeiter den Prozess nicht kontrollieren, räumt Berndt ein. «Wir stoßen an Grenzen. Ein Erfolg stellt sich oft erst spät und manchmal auch gar nicht ein. Aber am wichtigsten ist: Wir müssen auf Konflikte vorbereitet sein.»
Source: Kirche-Oldenburg