Hannover/Köln (epd). Eine «biblisch begründete und theologisch gefütterte» Friedensethik hat nach den Worten der Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, immer auch mit Dilemmata zu tun. Eine Friedensethik könne nie klar sagen, dass etwas richtig oder falsch sei, sondern bewege sich dazwischen, sagte die 59-jährige Theologin am Donnerstag im Deutschlandfunk.

 

Die 20 evangelischen Landeskirchen in Deutschland hatten in der vergangenen Woche erklärt, die Ukraine habe angesichts des russischen Angriffskriegs ein Selbstverteidigungsrecht. Der Einsatz von Waffen auf ukrainischer Seite zur Selbstverteidigung sei ein Mittel, «das auch wir an dieser Stelle gutheißen können», sagte Kurschus. Sie betonte zugleich, dass Gewalt und Waffen keinen Frieden schaffen könnten, dies sei nur mit Diplomatie und Gesprächen möglich.

 

«In dieser Situation ist es gerade so, dass egal wie wir uns positionieren, wir um Schuld und Sünde nicht herumkommen», unterstrich die Theologin. «Wenn ich mich an die Seite der ukrainischen, sich selbst verteidigenden Menschen stelle, gedanklich, dann bin ich ihnen in Nächstenliebe nah und ich erkenne an, dass sie Gewalt anwenden, zu ihrer Selbstverteidigung.» Aber auch das sei wieder Sünde, da so auch russische Soldaten zu Tode kämen. «Wie wir uns auch drehen und wenden, wir kommen nicht darum herum, schuldig zu werden in einem Krieg», sagte die oberste Vertreterin des deutschen Protestantismus. «Und das ist das Teuflische an Kriegen überhaupt: Kein Mensch kommt da ohne Schuld heraus.»

 

Der russische Präsident Wladimir Putin greife ein Volk an, weil er mit seinem «besonders egomäßigen Machtstreben» seinen persönlichen Einfluss weiter ausdehnen wolle, kritisierte die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen. «Das Perfide daran ist, dass er es nun anscheinend auch irgendwie religiös verbrämt und meint, damit würde die Welt vor schädlichen Einflüssen des Westens gerettet.»

 

Mit Blick auf die russisch-orthodoxe Kirche ist die EKD nach Kurschus’ Worten sehr bemüht, den Kontakt nicht abreißen zu lassen. Die russisch-orthodoxe Kirche sei nicht mit dem Patriarchen Kyrill gleichzusetzen. Dieser hatte den russischen Angriff auf die Ukraine unter anderem als Verteidigung gegen eine kulturelle und militärische Bedrohung Russlands gerechtfertigt. «Man kann ja kaum hören, was dieser Mann sagt, weil das in meinen Augen tatsächlich gotteslästerlich ist», sagte die EKD-Ratsvorsitzende. Seine Position sei mit dem Evangelium nicht zu vereinbaren. Es gebe aber auch Etliche innerhalb der russisch-orthodoxen Kirche, die sich zu einer Unterschriftenaktion gegen den Krieg zusammengefunden hätten.

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EKD-Ratsvorsitzende: Friedensethik ringt mit Dilemmata