Braunschweig/Hannover (epd). Birgit Ehlers-Ascherfeld macht sich eher wenig Sorgen: «Ein Erdbeerfeld an der Autobahn ist giftiger als ein Kürbis auf dem Grab», sagt die Vorsitzende des Bundes deutscher Friedhofsgärtner aus Langenhagen bei Hannover. Keine Nutzpflanze wurzele so tief, dass sie auf dem Friedhof mit den dort Bestatteten oder deren Überresten in Kontakt komme. Nach ihrer Einschätzung können Angehörige Obst und Gemüse auch bedenkenlos mit Grundwasser vom Friedhof versorgen und hinterher essen, betont Ehlers-Ascherfeld, die selbst eine eigene Gärtnerei betreibt.

 

Die Expertin bezieht sich damit auf eine derzeit lebhaft geführte Debatte in Braunschweig: Auf einem Doppelgrab des dortigen Hauptfriedhofs erregen zurzeit Kürbisse und Erdbeerpflanzen die Gemüter. Wenn Früchte dort wachsen, wo Verstorbene begraben sind, und dann später auf dem Teller landen, finden das manche Besucherinnen und Besucher des Friedhofs pietätlos. Der stellvertretende evangelische Propst Peter Kapp hingegen zeigt sich offen für eine Bepflanzung mit kulinarischen Vorzügen. Der Braunschweiger Friedhofsausschuss will bereits seine Regeln neu diskutieren.

 

Daneben wirft die Gestaltung praktische Fragen auf: Können Angehörige derart pflegebedürftige Pflanzen auch bei Trockenheit und Hitze überhaupt versorgen? Und wird Obst und Gemüse über Giftstoffe aus den Überresten Verstorbener verseucht?

 

Ehlers-Ascherfeld gibt Entwarnung: In 75 bis 80 Prozent aller Fälle werden den Verstorbenen Prothesen und Zahnfüllungen entfernt, die Giftstoffe enthalten, erläutert sie. Grundwasser-Brunnen befänden sich zudem mindestens acht Meter unter der Erde, Särge und Urnen würden hingegen deutlich weiter oben vergraben. Bis dahin filtere der Boden das Wasser gut genug. Gleichzeitig versorgten sich Angehörige ja nicht hauptsächlich durch Früchte auf Gräbern, sondern nur in symbolischem Ausmaß.

 

Die Debatte um Obst und Gemüse auf Gräbern komme immer mal wieder auf, sagt Ehlers-Ascherfeld. 2017 hatte etwa der Rat der bayerischen Stadt Neuburg an der Donau einer Angehörigen den Anbau von Tomaten auf dem dortigen Friedhof explizit erlaubt. Die Expertin sagt, sie finde es in Ordnung, wenn Menschen Obst und Gemüse anpflanzen und hinterher essen oder spenden. «Früher hat man Verstorbenen häufig Gaben wie Getreide oder Körner mitgegeben.» Außerdem gebe es keine klare Trennung zwischen traditionellen und essbaren Pflanzen auf Gräbern. «Viele Zierpflanzen sind auch essbar.»

 

Auch Alexander Helbach, Sprecher der Verbraucherinitiative Bestattungskultur in Königswinter bei Bonn, befürwortet die Idee: «Das hat eine wunderschöne Symbolik», sagt er. Der Anbau und die Ernte bereicherten die Trauerkultur – besonders, wenn der verstorbene Mensch gern gekocht habe oder im Garten gewesen sei. Er kenne keine Friedhofssatzung, die speziell den Anbau von Obst und Gemüse verbiete, habe aber grundsätzlich Verständnis für Menschen, die sich eine vermeintlich klassische oder einheitliche Bepflanzung wünschten.

 

«Die Stärke des Friedhofs ist, dass er ein wichtiges Biotop ist», sagt Helbach, dessen Initiative auch unter dem Vereinsnamen «Aeternitas» bekannt ist. Neue Nutzungsformen könnten seinen ökologischen Wert erhöhen. So gebe es auch auf Friedhöfen einen zunehmenden Trend zu insektenfreundlicher Bepflanzung. Auch bei Obst und Gemüse, das sehr oft gegossen werden müsse, sei die Grabpflege möglich. Angesichts von Klimakrise, Hitze und Trockenheit verändere es sich ohnehin, was alles angepflanzt werden könne.

 

Wenn der Aufwand zu hoch sei, lasse sich die Bepflanzung auch vereinfachen. Er beobachte derzeit zwei gegenläufige Entwicklungen, sagt Helbach: «Immer mehr Angehörige entscheiden sich für pflegeleichte oder pflegefreie Grabarten. Andere wollen die Gräber individueller gestalten und sind dann auch bereit, sich zu kümmern.»

 

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Erdbeerfeld an der Autobahn ist giftiger als Kürbis auf dem Grab» – Obst und Gemüse vom Friedhof: Fachleute haben keine Bedenken