Die Zahl muslimischer Inhaftierter in niedersächsischen Gefängnissen wächst. Die Nachfrage nach guter seelsorgerlicher Begleitung ebenso.Erstmals werden nun muslimische Gefängnisseelsorger professionell ausgebildet.
Hannover (epd). Der Islamverband Schura und das Justizministerium haben mit der Ausbildung von muslimischen Gefängnisseelsorgern in Niedersachsen begonnen. Zehn Männer und eine Frau besuchen in den Räumen des Evangelisch-lutherischen Missionswerks in Hermannsburg den landesweit ersten muslimischen Seelsorgekurs für den Justizvollzug, sagte der Schura-Vorsitzende Recep Bilgen am Mittwoch dem epd. Das Ausbildungskonzept sei vom Justizministerium und Schura gemeinsam mit christlichen Gefängnisseelsorgern entwickelt worden, sagte ein Ministeriumssprecher dem epd.
Ferner seien eine Referentin des Landesverbandes Muslime in Niedersachsen (MIN) sowie wissenschaftliche Mitarbeiter des Instituts für Islamische Theologie der Universität Osnabrück beteiligt gewesen. Der Kurs, der vom Land finanziert werde, umfasst den Angaben zufolge rund 100 Stunden und ist in vier Blöcke von je drei Tagen gegliedert. Er werde von den christlichen Gefängnisseelsorgern, einem Referenten für Seelsorge der Schura Niedersachsen und zwei Dozenten des Islaminstituts geleitet.
Die Ausbildung ist den Angaben zufolge berufsbegleitend, die Absolventen arbeiten also bereits in den Justizvollzugsanstalten. Sie dauert bis Ende des Jahres und ist Teil eines Forschungsprojekts am Institut für Islamische Theologie. Die Arbeit der Seelsorgerinnen und Seelsorger in den 14 Gefängnissen des Landes soll auf diese Art und Weise professionalisiert werden.
«Unsere Seelsorger sind Ansprechpartner und seelische Stütze bei der Resozialisierung der Inhaftierten», sagte Bilgen. Die Erfahrung der vergangenen Jahre habe gezeigt, dass weiterer Bedarf bestehe. «Dem wollen wir zukünftig nachkommen.»
Themen der Ausbildung seien unter anderem die Gesprächsführung und eine religiös motivierte Aufarbeitung des eigenen Vergehens, sagte Bilgen. Die muslimische Gefängnis-Seelsorge soll auch dazu beitragen, die Insassen vor einem Abgleiten in radikale islamistische Ideologien zu schützen, hatte das Ministerium zum Start des Forschungsprojekts im Februar verkündet.
Zwischen dem Justizministerium und dem Landesverband Schura besteht seit 2012 eine Vereinbarung zur Kooperation im Bereich muslimischer Gefängnisseelsorge. Der Anteil von Inhaftierten mit muslimischer Religionszugehörigkeit beträgt im niedersächsischen Jugendvollzug nach Angaben des Ministeriums zurzeit rund 30 Prozent. Im Erwachsenenvollzug liegt er bei 20 Prozent. Rund 1.000 Inhaftierte in niedersächsischen Justizvollzugseinrichtungen sind somit Muslime. Der Anteil sei in den vergangenen Jahren kontinuierlich gewachsen.
Source: Kirche-Oldenburg