Der EKD-Ratvorsitzende Bedford-Strohm hofft auf eine zweite «Revolution der Empathie und Achtsamkeit» nach 2015. In einem Radiogottesdienst erinnert er zugleich an Angst und Sorgen der Menschen: «Der Tod rückt in Herz und Seele näher.»
Hannover/Bremen (epd). In der Corona-Krise haben evangelische Theologen zu Zuversicht und gesellschaftlichem Zusammenhalt aufgerufen. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, sagte am Sonntag in einem Radiogottesdienst: «Es könnte doch sein, dass wir nach 2015, als es um Geflüchtete ging, nun einmal mehr eine Revolution der Empathie und Achtsamkeit erleben.» Die Theologin Margot Käßmann lobte Initiativen im Internet etwa zur Nachbarschaftshilfe und betonte zugleich: «Aber wir müssen auch an Menschen denken, die nicht online sind. Ein Anruf bei der alten Tante, ob sie sich sehr allein fühlt, wäre sinnvoll.»
Bedford-Strohm sagte in seiner vom Deutschlandfunk ausgestrahlten Predigt aus der weitgehend leeren Auferstehungskirche der Baptistengemeinde Bremen-Lesum, die Gesellschaft mache in diesen Tagen die Erfahrung, dass in vielen Menschen das Beste wachgerüttelt werde. «Und das wirkt viel mehr als die Hamsterkäufe, bei denen die Angst dazu führt, dass Menschen nur noch um sich selber kreisen.»
Der bayerische Landesbischof erinnerte laut Manuskript an die vielen Menschen, die sich Sorgen um ihre Gesundheit oder die ihrer Angehörigen machten. Manche hätten einfach Angst. «Auch wenn man nicht zu einer der Risikogruppen gehört – der Tod rückt in Herz und Seele näher. Die äußere Distanz, freiwillig oder erzwungen, macht es der Seele nicht leichter», sagte er: «Kann man sich in einer solchen Situation überhaupt noch irgendwie freuen?» Vielleicht brauchten die Menschen gerade jetzt die Erinnerung daran, dass es Licht am Horizont gebe.
Die Theologin Käßmann bedauerte in ihrer «Bild am Sonntag»-Kolumne sehr, dass derzeit keine Gottesdienste in den Kirchen gefeiert werden. «Gerade in Zeiten der Not, der Krise, von Krieg und Leid kamen Menschen seit Jahrtausenden überall auf der Welt zusammen, um miteinander zu singen und zu beten», schrieb sie. Deshalb seien Fernseh- und Rundfunkgottesdienste jetzt dringend notwendig: «Überall entstehen neue Podcasts und Videos, die ermutigen.»
Auch in Videobotschaften wendeten sich am Wochenende Bischöfe an die Menschen. Der braunschweigische Landesbischof Christoph Meyns appellierte, die Hoffnung zu bewahren. Seine eigene Meine Mutter lebe seit dem Tod des Vaters allein, Hunderte von Kilometern entfernt, berichtete Meyns in seiner ersten Andacht einer Reihe, die von der Landeskirche im Internet übertragen wird. «Besuche verbieten sich im Moment. Wie gut, dass wir über E-Mail und Telefon in Kontakt bleiben können.» So habe sie ihm ein Bild vom Grabstein seines Vaters gemailt mit dem Bibelvers «Finsternis ist wie das Licht», sagte Meyns: «Gott ist mit seinem Licht mitten in der Finsternis.»
Der Oldenburger Bischof Thomas Adomeit betonte, die Kirche bleibe für die Menschen da. Diejenigen, die Kontakt oder Trost suchen, forderte ausdrücklich dazu auf: «Rufen Sie an, schreiben Sie, Mails oder auch Briefe. Melden Sie sich bitte!»
Die hannoversche Landeskirche streamte einen Gottesdienst mit der Pastorin Anke Merscher-Schüler aus der bis auf ein Filmteam vom Evangelischen Kirchenfunk Niedersachsen-Bremen (ekn) sonst menschenleeren evangelischen Pauluskirche in Hannover. Hoffnung machten ihr die vielen kleinen Zeichen der Zuwendung: eine Tafel Schokolade für die Kassiererin im Supermarkt, abendliches Singen vom Balkon oder Applaus für die Ärzte und Krankenschwestern, sagte die Pastorin: «Ein wunderbarer Wettbewerb, anderen Freude zu machen.»
Source: Kirche-Oldenburg