Hannover (epd). Lehren aus der Corona-Krise und langfristige Struktur- und Finanzfragen stehen im Mittelpunkt der Jahrestagung der evangelischen Kirche. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, sprach am Sonntag mit Bezug auf die Pandemie von einer «verwundeten Gesellschaft», die neben dem richtigen Handeln auch stärkende Worte brauche. Mehrere leitende Geistliche sprachen sich dafür aus, weiter Gottesdienste zu feiern, dabei aber die Grenzen des Verantwortbaren im Blick zu behalten.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nannte die Corona-Krise in einer Videobotschaft an die 120 Mitglieder des Kirchenparlaments der EKD, das in diesem Jahr ausschließlich digital berät, eine gesellschaftliche Bewährungsprobe. Er sei froh, dass die Kirchen immer wieder bemüht seien, in der öffentlichen und privaten Debatte Brücken zu schlagen.

Das höchste Gremium der knapp 21 Millionen deutschen Protestanten berät bis Montag über Reformen und einen angestrebten Sparkurs. Basis der Reformüberlegungen ist eine Prognose Freiburger Forscher aus dem vergangenen Jahr, wonach die evangelische Kirche bis 2060 die Hälfte ihrer heutigen Mitglieder verlieren könnte und sich damit auch ihre Finanzkraft halbieren dürfte. Durch die Corona-Krise erwarten die 20 deutschen Landeskirchen schon für das laufende Jahr einen Rückgang der Einnahmen aus der Kirchensteuer von mindestens zehn Prozent.

Laut Beschlussvorlage für die Synode will die EKD bis 2030 etwa 20 Prozent ihrer Ausgaben kürzen, das sind rund 17 Millionen Euro. Die EKD-Finanzexperten haben dafür eine Streichliste vorgelegt, die Kürzungen von Zuschüssen etwa für kirchliche Hochschulen, die Frauen- und Männerarbeit sowie die Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen vorsehen. Bedford-Strohm erwartet schmerzliche finanzielle Einschnitte. Es müssten möglicherweise auch Ausgaben gekürzt werden, die eigentlich sinnvoll sind, die die Kirche aber nicht mehr weiter finanzieren könne, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd) vor den Beratungen.

Der pfälzische Kirchenpräsident Christian Schad sprach sich am Samstag trotz der verschärften Kontaktregeln während der Corona-Pandemie dafür aus, weiter Gottesdienste zu feiern. Im Frühjahr sei die Situation eine andere gewesen, betonte er. Es habe noch keine Maskenpflicht gegeben und keine Hygienekonzepte für die Kirchen, sagte der Vorsitzende der Vollkonferenz der Union Evangelischer Kirchen (UEK). Mittlerweile gebe es gute Erfahrungen mit den Hygiene- und Abstandsregeln, so dass man guten Gewissens weiter Gottesdienste feiern könne.

Neben EKD und UEK berät bis Montag auch die Generalsynode der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD). Alle Tagungen wurden verkürzt, die Tagesordnungen auf die wichtigsten Berichte und Beschlüsse reduziert.

Der Berliner evangelische Bischof Christian Stäblein sagte, Kirchen, Synagogen und Moscheen öffneten in der Pandemie ihre Räume für Trost, Seelsorge und Klage: «Das ist eine wichtige Aufgabe innerhalb der Gesellschaft.»

Stäblein versicherte, dass die Kirchen verantwortungsvoll mit ihren Rechten umgehen: «Es geht nicht darum, die Eindämmungsregeln bis an die Grenzen auszureizen.» Vielmehr müsse der Geist der Hygienevorschriften «in guter Weise umgesetzt werden». Der Schutz des Nächsten müsse im Mittelpunkt stehen, sagte er dem epd: «Gottesdienste dürfen nicht zu Spreader-Events werden.»

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Evangelische Kirche stellt Weichen für die Zukunft