Osnabrück (epd). Der Osnabrücker Politikwissenschaftler Roland Czada schreibt Politikern und Medien die Schuld an der Demokratiekrise in Deutschland zu. Wenn Politiker Themen wie die angeblich zu große Nähe der Politik zur Autoindustrie in Vorwahlzeiten hochspielten, und viele Medien auch noch darauf einstiegen, zeuge das von wenig Kompetenz auf beiden Seiten, sagte Czada in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Nicht die Sache an sich sei kritikwürdig, sondern die Debattenlage. «Der Diskurs läuft völlig aus dem Ruder.»
Die niedersächsischen Regierungen und der VW-Konzern hätten sich immer abgestimmt, sagte Czada. In anderen Bundesländern wie etwa Baden-Württemberg stünden Regierung und Unternehmen ebenfalls regelmäßig in Kontakt. «So funktioniert politische Ökonomie in Deutschland.»
Zu viele Politiker bemühten sich mehr um Machterhalt als um Ziele und Inhalte. «Da geht es oft nur noch um Wahl und Wiederwahl. Die Parteien rennen der Willensbildung hinterher anstatt, wie vom Grundgesetz vorgesehen, an ihr mitzuwirken», kritisierte der Professor am Zentrum für Demokratie- und Friedensforschung der Universität Osnabrück. In dieses Muster passe auch der Übertritt der niedersächsischen Abgeordneten Elke Twesten von den Grünen zur CDU kurz vor der Landtagswahl. Er befürchte, dass dieser «Verfall der politischen Kultur» und der «Aufregungsjournalismus» Parteien wie der AfD Stimmen bringen werde.
Auch die Zahl der Nichtwähler könnte Czada zufolge zunehmen: «Meine Nachbarn in Osnabrück sind Maurer und Lkw-Fahrer. Die sagen mir: Wir wählen nicht. Die Politiker sind uns zu blöd.» Damit gerate auch die Demokratie in die Krise. Es sei alarmierend, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen politisch völlig apathisch seien. Das treffe vor allem auf ärmere Menschen und Hartz-IV-Bezieher zu. «Sie haben das Gefühl, ihre Interessen kommen sowieso nicht vor.»
Czada forderte die Medien auf, eigene Schwerpunkte zu setzen, weniger zu skandalisieren und mehr Sachthemen aufzugreifen. «Gerade wenn der politische Betrieb in Wahlkampfzeiten zu unsauberen Winkelzügen und Übertreibungen neigt, sollten die Medien eine sachlich-kritische Berichterstattung entgegensetzen.» Es gebe genug Politikfelder, wo Kritik angebracht sei. Der Forscher nannte etwa drängende Probleme der Energiewende, die marode Verkehrsinfrastruktur, die wenig vorausschauende Schulpolitik, die Misere in den Alten- und Pflegeheimen und den schleppenden Ausbau des schnellen Internets.
Source: Kirche-Oldenburg