Bremen (epd). Pflegekräfte sollten nach Ansicht der Bremer Trauerbegleiterin Tanja Brinkmann nach dem Tod ihrer Patienten Trauer zulassen. «Es ist in Ordnung, wenn wir diese Gefühle zulassen, nachdem ein Mensch gestorben ist, den wir vielleicht über einen längeren Zeitraum professionell gepflegt haben», sagte die Krankenschwester und promovierte Soziologin im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Am Mittwochabend (7. Juni) hält sie einen online-Vortrag für Fachkräfte mit der Überschrift: «Zwischen Teflon und Emotionsbombe. Wie Fachkräfte mit dem Tod von Patientinnen und Patienten umgehen können.»
Das Thema werde unter Pflegekräften, Medizinern und in der Wissenschaft viel zu wenig diskutiert, sagte Brinkmann. «Die Trauer um gestorbene Patienten oder Heimbewohner ist häufig ein Tabu.» Besonders in den Bereichen, wo viel gestorben werde, lehnten die beteiligten Fachkräfte oft Hilfe ab. Vor allem aber auf den Intensivstationen habe sie erlebt, dass sich Pflegekräfte und Ärzte eine Art «Teflon-Schutz» schaffen, an dem jegliche Trauergefühle abperlen.
Für Feuerwehrleute und Polizisten seien Supervisionsgespräche nach besonders belastenden Einsätzen inzwischen Pflicht, erläuterte Brinkman. Obwohl auch dort zunächst das Gesprächsangebot abgelehnt wurde, werde es heute sehr geschätzt.
«Es gibt keinen Masterplan für den besten Umgang mit der Trauer um Patienten», räumte Brinkmann ein, die als Krankenschwester auf einer Krebsstation gearbeitet hat. Hilfreich seien eine stete Selbstreflexion und der Austausch im Team, um den jeweils eigenen Mittelweg zwischen Teflonschutz und überfordernden Emotionen zu finden. «Die Patienten und Angehörigen erwarten eine versierte Fachkraft mit Mitgefühl. Darum ist eine professionelle Nähe gefragt, nicht eine persönliche.» Ihr selbst habe geholfen, dass sie die Patienten konsequent mit «Sie» angesprochen habe – auch junge Menschen oder Patienten, die sie über einen langen Zeitraum betreut habe.
Beeindruckt habe sie ein Ritual, das sie in einem Pflegeheim kennengelernt habe. Dort werde von den Pflegekräften für die Gestorbenen ein Stein künstlerisch gestaltet und mit deren Namen versehen. Die Steine werden für alle sichtbar auf einem Tablett gesammelt. Einmal im Jahr tausche das Team anhand der Steine Erinnerungen an die Toten aus, berichtete Brinkmann. Anschließend werden die Steine in einem Teich versenkt. «Auch das ist eine Art des Verarbeitens und Abschiednehmens.»
Die Trauerbegleiterin mahnte, das Thema Trauer von Pflegekräften in der Forschung, Ausbildung und den Einrichtungen ernster zu nehmen. «Wer keinen guten Weg findet, mit seinen oder ihren Gefühlen umzugehen, wird auf kurz oder lang den Beruf aufgeben und eine Arbeit wählen, die emotional weniger belastend ist.» Dann werde sich der Fachkräftemangel noch verschärfen.
Kirche-Oldenburg
Expertin: Pflegekräfte dürfen trauern