Hannover (epd). Niedersachsens Flüchtlingsrat hat zum Weltflüchtlingstag (20. Juni) eine grundsätzliche Korrektur der europäischen Flüchtlingspolitik verlangt. «Die Lösung des Weltflüchtlingsproblems wäre bei gutem Willen möglich», sagte am Freitag der Geschäftsführer des Rates, Kai Weber. Es fehle die politische Bereitschaft der Industriestaaten und namentlich auch der Europäischen Union, einen nennenswerten Beitrag zur Linderung der Not von Flüchtlingen beizutragen.
   
Am Donnerstag hatte das Hochkommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) neue Zahlen zu Flüchtlingen in der Welt veröffentlicht. Danach sind weltweit 79,5 Millionen Menschen auf der Flucht – mehr als ein Prozent der Weltbevölkerung. In nur zehn Jahren habe sich die Zahl der Flüchtlinge verdoppelt. Mehr als zwei Drittel aller Flüchtlinge kommen aus den fünf Ländern Syrien, Venezuela, Afghanistan, Südsudan und Myanmar. Schätzungsweise 30 bis 34 Millionen der Geflüchteten sind Kinder.
   
Bei genauerer Betrachtung der Zahlen relativiere sich allerdings das medial verstärkte Bild einer durch Flüchtlingskatastrophen überforderten Welt, sagte Weber. 45,7 Millionen (57,5 Prozent) der Flüchtlinge seien sogenannte Binnenflüchtlinge, die innerhalb ihres eigenen Landes auf der Flucht sind. Diese Menschen brauchten Hilfe und Unterstützung. Aber die Betroffenen hätten überwiegend nicht die Ressourcen und Möglichkeiten, ihrem Schicksal durch Flucht ins Ausland zu entkommen
   
Auch die von UNHCR als Flüchtlinge registrierten Bewohner von palästinensischen Flüchtlingslagern suchten in der Regel kein neues Aufnahmeland. Es gehe also um weltweit 28,2 Millionen aus ihren Herkunftsländern vertriebene Menschen. «Würden alle diese Flüchtlinge auf der Welt in Europa mit seinen 450 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern aufgenommen, betrüge der Anteil der Geflüchteten nur rund sechs Prozent», sagte Weber.
   
Die Europäische Union fürchte aber die Signalwirkung einer menschenfreundlichen Flüchtlingsaufnahmepolitik und setze mit ihrem Konzept der «Hotspots» und der Grenzabsicherung auf Abschreckung und polizeilich-militärische Flüchtlingsabwehr. Diese Strategie werde «ergänzt um die Inszenierung einer kontingentierten Flüchtlingsaufnahme in homöopathischen Dosen zur eigenen Gewissensberuhigung».

Internet: www.nds-fluerat.org

Source: Kirche-Oldenburg