Schon in der Begrüßung spiegelte sich ein bisschen die Spannung des Abends wieder. Wiebke Perzul, eine Frau und Pastorin in Elisabethfehn, begrüßte. Kreispfarrer Lars Dede fragte in seinem Grußwort gleich „Wer war diese Frau?“ und meinte damit nicht seine Kollegin Perzul, sondern „Wer war Maria Magdalena? Oder genauer: Wer war Maria aus Magdala?“ In der Veranstaltungsreihe „Reformation – Bild und Bibel“ des Kirchenkreises und des Evangelischen Bildungswerkes Ammerland wurde an diesem Abend genau diesen Fragen nachgegangen: Welche Frauen und Frauenbilder kennen Bibel und Kirchengeschichte.

Professorin Silke Petersen aus Hamburg gab einige Antworten, die theologische Laien überraschten. Eine interessengeleitete Übersetzung lässt heute viele Menschen glauben, die Gruppe um Jesus seien ausschließlich Männer gewesen. Dabei bedeute das griechische Wort gleichermaßen „Brüder“ wie „Geschwister“. Es können also – und sind ganz offensichtlich auch – Frauen als Jüngerinnen in dieser Gruppe gewesen sein. Wer Frauen vom Priesteramt ausschließen wolle, hätte eben auch heute noch Interesse, an Aposteln als reine Männerrunde festzuhalten. Die evangelische Pastorin Perzul schmunzelte an dieser Stelle des Vortrags, der mit seinem Tempo und der prononcierten Darstellung aktueller Forschungsergebnisse das Publikum fesselte.

In dem reich bebilderten Vortrag wurde auch die „reuige und büßende Sünderin“ Maria Magdalena vorgestellt, die in der Kunst-, Kultur- und Literaturgeschichte ab dem 4. Jahrhundert n.Chr. zunehmend eine Rolle spielte – aber nur in den westeuropäischen Kirchen. „Achtung: Die Haare werden im Laufe der Jahrhunderte immer dünner“ warnte die Kunstkennerin Petersen und zeigte Bilder aus dem 16. Jahrhundert, die eine mit wallenden roten Haaren bedeckte Maria zeigten. Dreihundert Jahre später wurde nichts mehr durch Haare verdeckt. 1876 wurde Maria Magdalena von Jules-Joseph Lefebvre als Aktbild völlig nackt vor einer Grotte gemalt.

Tatsächlich gab es diese erotisierte Sünderin vermutlich nie. Im Laufe der Jahrhunderte verschmolzen drei biblische Frauengestalten zu einer Maria Magdalena, die die drei Charaktere nun in sich vereinigte. Hinzu kamen Legendenbildungen wie die der in Südfrankreich schiffbrüchig gewordenen Maria Magdalena, die als Büßerin in einer Höhle lebte und dort starb. Ihre angeblichen Gebeine wurden Anziehungspunkt in verschiedenen Kirchen Südfrankreichs, von der jede behauptet, die wahren Gebeine zu zeigen. Tourismus war auch schon im Mittelalter eine gute Einnahmequelle.

Neuere Forschungen, vor allem möglich durch aktuelle Papyrusfunde mit Originaltexten aus dem ersten und zweiten Jahrhundert, nähern sich wieder der historischen Figur der Maria aus Magdala, einem Fischerort am See Genezareth. Sie war Jüngerin in der Gruppe um Jesus, hat die Kreuzigung und das leere Grab gesehen und danach die Botschaft Christi weitergetragen. Vieles deutet darauf hin, dass sie die Wortführerin der Frauen um Jesus war und von Jesus besonders geschätzt wurde. Seine "Geliebte" oder Ehefrau war sie dagegen nicht. Insgesamt, so Professorin Silke Petersen, wird an der Überlieferung über Maria aus Magdala deutlich: Frauen spielten im Urchristentum eine besondere Rolle.

Viele Details und der aktuelle Forschungsstand zu Maria aus Magdala finden sich in einem Beitrag von Prof. Dr. Silke Petersen im Bibellexikon unter https://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/51979/

Die Reihe „Reformation – Bild und Bibel“ wird am 30. Mai um 16 Uhr mit einer Führung durch die St.-Johannes-Kirche in Bad Zwischenahn fortgesetzt. Pfarrer Christian Wöbcken wird in die Bilder und die Innenausstattung dieser Kirche vorstellen, darunter der beeindruckende Altar des "Meisters aus Osnabrück" von ca. 1515. Und am 31. Mai wird im Rahmen des Gottesdienstes um 10 Uhr die Ausstellung „Kinderbibeln“ mit einer Predigt von Prof. Dr. Christine Reents in der St.-Petri-Kirche in Westerstede eröffnet.
Peter Tobiassen
Source: Kirche-Oldenburg