Fünf Fragen des Rogate-Klosters an Imke Zwoch, BUND Kreisgruppe Wilhelmshaven, über das Plastikfasten, Müll in den Meeren und tödliche Luftballon-Aktionen.

2018 03 Imke Zwoch

Imke Zwoch (Bild: privat)

Imke Zwoch, geboren in Wilhelmshaven, studierte in Gießen Agrarwissenschaften und Umweltsicherung. Sie engagiert sich seit frühester Jugend für den Schutz von Natur und Umwelt in ihrer Heimatstadt, aktuell ehrenamtlich im BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland) und in der Gruppe JadeWale.

Rogate-Frage: Frau Zwoch, Sie haben zu einem „Plastikfasten“ aufgerufen. Was steckt dahinter?

Imke Zwoch: Plastikfasten ist eine bundesweite Kampagne des BUND, die wir hier als Kreisgruppe des großen Umweltverbandes mit lokalem Bezug umsetzen. Die Fastenzeit dient traditionell dazu, einige Wochen auf bestimmte Gewohnheiten zu verzichten, um den eigenen Alltag mal umzukrempeln und bewusster zu leben. Viele verzichten in dieser Phase zum Beispiel auf Fleisch, Alkohol oder Süßigkeiten. Unser immenser Plastikkonsum ist ebenfalls ein „Laster“, das wir hinterfragen müssen. Kunststoffe verbrauchen in der Herstellung und in der Entsorgung wertvolle Ressourcen. Insbesondere bei Einweg-Artikeln ist das ökologisch wie ökonomisch ein Wahnsinn.

Rogate-Frage: Wie genau kann Plastik gefastet werden?

Imke Zwoch: Es geht darum, mit offenen Augen und kritischem Blick durch unsere Konsumwelt zu gehen und beim Einkauf und im eigenen Haushalt zu hinterfragen, ob und wozu ein Produkt eine Verpackung benötigt beziehungsweise aus Plastik besteht. Die Herausforderung besteht darin, möglichst konsequent plastikfreie Alternativen zu bevorzugen. Gleichzeitig gilt es, das Thema Plastikfasten hartnäckig zu kommunizieren – im Familien- und Freundeskreis, im Betrieb, in der Schule, in der Tageszeitung und sozialen Medien. Und natürlich beim Einkaufen, mit den Händlern und anderen Kunden.

Es geht nicht darum, von heute auf morgen zu 100 Prozent auf Plastik zu verzichten. Wenn man gute Vorsätze zu hoch ansetzt, ist das Scheitern programmiert. Jeden Tag eine Plastikfalle entdecken, das reicht schon aus. Und festzustellen, dass unsere Uroma im Haushalt mit Naturmaterialien ökologisch betrachtet viel weiter war, als wir es heute sind.

Die Erkenntnis, wie sehr unser Leben in Plastik eingebettet ist, kann erschreckend sein. Aber auch belustigend, wenn man erkennt, wie die Verpackungskünstler uns über den Tisch ziehen wollen. Kaffeekapseln oder „Quetschies“ – diese winzigen Folienverpackungen mit Kinder-Smoothies oder anderem überteuerten Inhalt – sind nur zwei Beispiele solcher absurden Auswüchse angeblich praktischer Verpackungen.

Rogate-Frage: Warum sind Kunststoffe am und im Meer ein besonderes Thema?

Imke Zwoch: Mittlerweile ist weithin bekannt, dass in unseren Ozeanen mehrere riesige Teppiche aus Plastikmüll schwimmen. Jährlich sterben schätzungsweise eine Million Vögel und 100.000 Meeressäuger an den Folgen des Plastikmülls. Viele Tiere verhungern, weil ihr Magen voll ist mit unverdaulichen Plastik. Andere verenden, weil sie sich in Schnüren und Netzen verfangen. Am Ende der Nahrungskette kommt das Mikroplastik über Fische oder Muscheln auf dem Teller zu uns zurück.

Wenn man an der Nordsee wohnt, fällt einem das Problem buchstäblich jeden Tag vor die Füße. Bei jedem Spaziergang wird mir bewusst, welch ein Geschenk es ist, am Weltnaturerbe Wattenmeer zu wohnen – und gleichzeitig stößt man alle paar Meter auf „to-go“-Becher, Plastiktüten, Flaschen, Zigarettenkippen, Reste von Fischernetzen und vieles mehr, das im Wasser schwimmt oder am Strand herumliegt. Das kann man als „Fischkopp“ nicht einfach hinnehmen!

Rogate-Frage: Sie kritisieren Ballon-Aktionen. Was ist hier das Problem?

Imke Zwoch: Luftballons gehören zu den häufigsten Funden bei Müllsammelaktionen an der Küste oder auf den Inseln. Und in den Mägen von Meerestieren. Angeblich umweltfreundliche Ballons aus Naturkautschuk brauchen lange, um sich zu zersetzen, und enthalten zudem Weichmacher und andere Zusatzstoffe. Meist hängt das Plastikband noch dran. Wenn man Luftballon-Aktionen kritisiert, wird man oft als Bösewicht hingestellt, weil man angeblich Kindern den Spaß nimmt. Wir engagieren uns aber gerade deshalb, damit auch zukünftige Generationen noch Spaß an der Natur haben – das wiegt mehr als der Spaß für ein paar Minuten mit bunten Luftballons am Himmel. Deswegen muss man solche Kritik aushalten. Oftmals ist der Aufdruck einer Fast-Food-Kette oder einer Tourismusorganisation auf den Ballonresten noch zu erkennen. Dann heißt es: Ab die Post, mit Begleitschreiben – Annahme verweigert, zurück an Absender, mit freundlichem Gruß, Ihr Weltnaturerbe Wattenmeer.

Rogate-Frage: Sind die Meere noch zu retten oder ist bereits jetzt zu viel Micro- und Großplastik vorhanden?

Imke Zwoch: Wer nicht kämpft, hat schon verloren! Zunächst gilt es, dass Bewusstsein der Menschen so zu verändern, dass die Zufuhr von Plastik in unsere Weltmeere gestoppt wird. Unsere Plastikfasten-Kampagne ist einer von vielen kleinen Bausteinen weltweit, um dieses Ziel zu erreichen: Global denken, lokal handeln. Überall gibt es Menschen, die sich an ihrem Heimatort dafür einsetzen. In den letzten Wochen machte der Ort Penzance an der Küste von Cornwall von sich reden. Strömungsbedingt landet dort sehr viel Müll am eigentlich malerischen Strand. Eine einzige Frau, Rachel Yates, ergriff irgendwann die Initiative und hat nun die ganze Stadt hinter sich im Kampf gegen den Plastikmüll.

Der Niederländer Boyan Slat gründete 2013, da war er gerade 18 Jahre alt, seine Firma „The Ocean CleanUp“ und sammelte über Crowdfunding eine zweistellige Millionensumme an Spenden, um seine Idee zu verwirklichen. Mit riesigen Filteranlagen will er binnen fünf Jahren den pazifischen Müllteppich um die Hälfte reduzieren. Ich meine, warum soll das nicht klappen? Jemand hatte mal die Vision, dass Menschen zum Mond fliegen. Er wurde verlacht und heute fliegen Menschen zum Mond und weiter. Wobei ich es wichtiger finde, den eigenen Planeten zu erhalten, bevor man nach neuen sucht.

Das macht Hoffnung und gibt uns Mut und Energie, immer weiter zu machen. Wir werden die jungen Menschen nicht im Stich lassen, die dafür kämpfen, eine lebendige Meereswelt zu erhalten, die auch dann noch existiert, wenn wir selbst längst wieder Teil des großartigen Stoffkreislaufes unser Erde geworden sind.

Rogate: Vielen Dank, Frau Zwoch, für das Gespräch.

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