Wie Martin Luther dem Volk die Bibel mit seiner deutschen Übersetzung im Wort nahegebracht hat, so hat Ludwig Münstermann mit Altären und Kirchenschmuck die biblische Geschichte in eindrucksvollen Bildern erzählt. Ein „religionspädagogisches Bildprogramm“ nennt Bischof Jan Janssen das Werk Münstermanns, das jetzt in einer zweibändigen Monografie katalogisiert worden ist. Der Doppelband „Ludwig Münstermann. Bildhauerkunst des Manierismus im Dienste lutherischer Glaubenslehre“ wurde am Reformationstag, 31.Oktober, im Oldenburger Schloss der Öffentlichkeit vorgestellt. Die oldenburgische Kirche hat das Erscheinen der Publikation gefördert.

Mit dem sehr bewusst ausgewählten Datum ist einmal mehr der Bogen von Luther zu Münstermann geschlagen worden. Gleichzeitig war dies die Auftaktveranstaltung der oldenburgischen Kirche zur Feier des 500. Reformationsjubiläums 2017.

Schon zu Schulzeiten habe ihn Münstermanns Werk fasziniert, erzählte der Kunsthistoriker Dr. Dietmar J. Ponert, gemeinsam mit dem ehemaligen Oldenburger Oberkirchenrat Prof. Dr. Rolf Schäfer Autor des Buches. Die Fotos stammen von Tobias Trapp, die Fotografie im Bereich der Denkmalpflege ist einer der Schwerpunkte des Oldenburger Fotografen. Dem Buch liege intensive Quellenarbeit zugrunde, betonte Ponert. Dabei habe sich unter anderem herausgestellt, dass ein sehr enger Zusammenhang zwischen der Kirche und dem Künstler bestanden und Münstermann sehr eng angelehnt an den Vorstellungen der Pastoren gearbeitet habe.

„Wahrscheinlich haben die Pastoren viele der Werke sogar selbst bezahlt“, so der Kunsthistoriker. Doch auch wenn Münstermann die Ideen der Theologen „nur“ ausgeführt habe, seien seine Reliefs, Figuren und Szenen dennoch ausgesprochen stark. Darauf wies auch Thomas Kossendey als Präsident der Oldenburgischen Landschaft hin, die das Erscheinen der Publikation gefördert hatte. In ihrem Ausdruck seien die Figuren Münstermanns „fast schon Karikaturen“. Er hoffe, dass das Buch helfen werde, Münstermanns Kunst der Öffentlichkeit zu vermitteln, so Kossendey. „Das Werk hat es verdient, weiten Kreisen ein Begriff zu sein.“

In Hamburg geboren, hatte Ludwig Münstermann (1599-1638) fast ausschließlich für die Grafschaften Oldenburg und Delmenhorst gearbeitet. Nicht umsonst nannte man ihn „den Riemenschneider des Nordens“, denn wie kein anderer Bildhauer hat er die Kirchen in der Region geprägt. Er gilt als die eigenwilligste Künstlerpersönlichkeit unter den Bildhauern des nord- und mitteldeutschen Manierismus. „Die Kunstwerke zählen zu den bedeutendsten, die das Oldenburger Land zu bieten hat“, so die Einschätzung Kossendeys. Chronologisch gesehen sei Münstermann der erste Künstler im sakralen Raum gewesen, der seine Handschrift in der Region hinterlassen habe, sagte Prof. Dr. Rainer Stamm, Leiter des Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte. „Gerade deshalb freue ich mich sehr, dass es jetzt dieses Werkeverzeichnis gibt.“

Als Oberkirchenrat habe er ab 1971 mitentscheiden müssen, wie das Werk Münstermanns künftig behandelt werde, erinnerte sich Rolf Schäfer. „Damals stand ich staunend vor dem Altar in Rodenkirchen. So etwas hatte ich in einer evangelischen Kirche nicht erwartet.“ Allerdings räumte er auch ein: „Ich habe mich an Münstermann erst gewöhnen müssen.“ Vermutlich lag dies auch daran, dass Münstermanns Figuren nicht gefällig sind.

Konfirmanden zögen heute sogar den Vergleich mit Comic-Figuren, erzählte Bischof Janssen. „Vielleicht nicht zu Unrecht – besonders die menschlichen Figuren werden gezeigt, als wären sie ein wenig überdreht, ihre Gliedmaßen sind verstärkt, ihre Gesichter zugespitzt und auf den Punkt gebracht. Engelsgesichter, Bauerntypen, konkrete Gegenstände und einzelne Bewegungsabläufe sind sehr ausdrucksstark gearbeitet.“ Die Figuren seien an den erzählten biblischen Geschichten aktiv beteiligt, sagte Janssen und erinnerte daran, dass damals in vielen Kirchengemeinden noch so manche Analphabeten lebten.

Einen Ausblick auf die Aktivitäten im Jubiläumsjahr gab im Anschluss Pfarrer Nico Szameitat, in der oldenburgischen Kirche Beauftragter für das Reformationsjubiläum. „Ich wünsche mir für das Jubiläumsjahr, dass es genau diese Kombination wird: die Erinnerung an Martin Luther und die anderen Reformatoren und deren Erkenntnisse auf der einen Seite. Auf der anderen Seite aber sollen die Menschen in den Gemeinden ermutigt werden, darüber nachzudenken und davon zu erzählen, was ihren evangelischen Glauben heute ausmacht.“ Unter www.oldenburg2017.de sind bereits viele Aktionen zu finden, die im Bereich der oldenburgischen Kirche im Jubiläumsjahr geplant sind.

Ein Beitrag von Anke Brockmeyer.

Bildhauerkunst des Manierismus
Am Reformationstag ist offiziell die Publikation „Ludwig Münstermann. Bildhauerkunst des Manierismus im Dienste lutherischer Glaubenslehre“ erschienen. Die zweibändige Ausgabe beschäftigt sich ausführlich mit dem Bildhauer Münstermann, der eigenwilligsten Künstlerpersönlichkeit unter den Bildhauern des sogenannten nord- und mitteldeutschen Manierismus. Er war von 1599 bis 1638 mit seiner Werkstatt in Hamburg tätig und arbeitete in Stein, Holz und Alabaster, vielleicht auch in Elfenbein und Bernstein. Sein persönlicher Stil erweist sich als ungewöhnlich und einzigartig.

In der Ausgabe wird das gesamte Spektrum der Bildinhalte als Zeugnis lutherischer Glaubenslehre erschlossen, die sich allein wegen ihrer Fülle in der protestantischen Kunstwelt dieser Zeit als unvergleichbar erweist. Es handelt sich um eine theologische und kunstwissenschaftliche Erschließung der Werke Ludwig Münstermanns mit umfangreichem Werkkatalog und eigens angefertigten Fotografien, die einen wichtigen Beitrag zur Forschung zum Manierismus sowie zu konfessioneller Ikonographie leistet.

In einem umfangreichen Katalogteil wird jedes erhaltene oder nachzuweisende Werk Münstermanns, seiner Mitarbeiter in der Werkstatt und seiner Nachfolger detailliert beschrieben und kommentiert. Der Tafelband mit seinen eigens angefertigten Fotografien dokumentiert den jetzigen Zustand der Werke.

Die zweibändige Publikation ist im Verlag Schnell & Steiner (Regensburg) erschienen und kostet 99 Euro (Textband 672 Seiten, Tafelband 336 Seiten, ISBN 978-3-7954-3166-2).

Die Autoren:
Prof. Dr. OKR i.R. Rolf Schäfer
, geb. 1931 in Stuttgart, hat Theologie in Tübingen, Göttingen und Zürich studiert und wurde 1961 in Zürich promoviert und 1967 in Tübingen habilitiert. Er war Pfarrer in Württemberg und Oberkirchenrat der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg. Von ihm stammen Veröffentlichungen zur Systematischen Theologie und zur Kirchengeschichte.

Dietmar J. Ponert, geb. 1943 in Breslau, hat Geschichte, Germanistik und Kunstgeschichte in Bonn und München studiert und wurde 1969 in München promoviert. Er war an Museen in Stuttgart und Berlin tätig und hat Veröffentlichungen u.a. zur deutschen Barockskulptur und zu Ludwig Münstermann verfasst.

Die Fotos stammen von Tobias Trapp, der seit 24 Jahren als selbständiger Fotograf für Wirtschaft, Dokumentation und Verlagswesen in Oldenburg arbeitet.

Source: Kirche-Oldenburg