Schweringen/Kr. Nienburg (epd). Anderthalb Jahre hat sie geschwiegen, doch nun läutet sie wieder. Am Pfingstsonntag hat die evangelische Kapellengemeinde in Schweringen bei Nienburg ihre umstrittene «Vaterlandsglocke» aus dem Jahr 1934 wieder eingeweiht, die es zu einiger Berühmtheit brachte, weil sie ursprünglich ein Hakenkreuz und eine NS-Inschrift trug. Und weil Unbekannte heimlich zur Tat schritten und das Nazi-Symbol mit einem Winkelschleifer wegfrästen.
   
Doch inzwischen hat sich einiges geändert. Ein Künstler-Duo hat die Glocke zu einer Art Mahnmal umgestaltet. Christiane Noltemeier, Vorsitzende des Kapellenvorstandes, hofft nun, dass in dem durch die Glocke einst tief gespaltenen 800-Einwohner-Dorf endlich wieder Ruhe einkehrt: «Ich hoffe, dass es wirklich eine Glocke der Versöhnung wird.»
   
Hoch oben im Turm der Kreuzkirche hängt sie, in der engen Glockenstube. Rund 1.800 Kilogramm schwer, ein Bronzeguss. Im November 2018 wurde sie offiziell entwidmet. Nun wird wieder ihr tiefes «Cis» ertönen, das die Schweringer schon seit mehr als acht Jahrzehnten begleitet. Die kritische Beschäftigung mit der einstigen Nazi-Glocke sei langwierig, aber notwendig gewesen, sagt Regionalbischöfin Petra Bahr aus Hannover. Sie wird die Glocke am Pfingstsonntag um 15 Uhr einweihen.
   
«Nun herrscht Klarheit über ihre Geschichte», betont die Theologin. «Die künstlerische Neugestaltung versteckt nichts davon, fragt nach Versöhnung und richtet den Blick so gleichzeitig nach vorn.» Rund 30.000 Euro hat sich die hannoversche Landeskirche das Projekt kosten lassen. Wegen der Corona-Krise kann die Einweihung nur mit einer kleinen, nichtöffentlichen Feier stattfinden.
   
Für die Nürnberger Künstler Hannes Arnold und Klaus-Dieter Eichler war die Umgestaltung eine Herausforderung. «Es ist ein heikles Thema», sagt Eichler. Die NS-Geschichte der Glocke dürfe nicht ausradiert, aber auch nicht verharmlost werden. Die Lösung der Künstler: Sie haben einen weißen Schriftzug aus der Bibel wie eine Schärpe quer über den beschädigten Glockenkörper gelegt: «Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne, und nähme doch Schaden an seiner Seele?», heißt es dort. Die Spuren der Vergangenheit sind darunter noch deutlich zu erkennen.
   
«Unser Ziel ist, dass man stutzt und beginnt, über die Geschichte der Glocke nachzudenken», erzählt Eichler. Und weil nicht jeder Besucher hoch in den Glockenstuhl klettern kann, um sich die neue Inschrift anzusehen, hat die Gemeinde unten am Fuße des Kirchturms ein «Hörmal» aufgestellt. Rund 1,70 Meter ist es hoch, ein aufrecht stehender Quader. An der Seite ist eine trichterförmige Öffnung eingearbeitet, die an die Gussform der Glocke erinnert. Spricht jemand hinein, wird der Schall reflektiert. Die Künstler wollen so erreichen, dass Besucher ihre Haltung zur Geschichte bedenken.
   
Das Kunstwerk haben Arnold und Eichler aus gemahlenem Klinker gefertigt. Dafür haben auch viele Menschen aus Schweringen Ziegelsteine gespendet. Christiane Noltemeier, die sich als «Ur-Schweringerin» bezeichnet, lobt die Arbeit der Künstler: «Da wird nichts aufgepropft. Sie haben sich sehr in die Gemeinde und in die Geschichte der Glocke eingefühlt.»
   
Diese Geschichte führte zu einem heftigen Streit, als das 35 mal 35 Zentimeter große Hakenkreuz auf der Glocke 2017 bei Nachforschungen der Landeskirche entdeckt wurde. «Aus Not und aus Nacht ist Deutschland erwacht», stand daneben zu lesen. «Dies Kreuz gab Gelingen, Half Zweitracht bezwingen. Dank sei dir Gott.» Ein Pastor der Nazi-treuen «Deutschen Christen» hatte die Glocke 83 Jahre zuvor aufhängen lassen.
   
Was nun tun? Die Meinungen prallten schroff aufeinander. Viele wollten die Glocke am liebsten durch eine neue ersetzen. Andere wollten sie unbedingt behalten, weil sie zum Dorf gehöre. Beschlüsse wurden gefasst und wieder verworfen. Doch dieser Zwist sei nun überwunden, sagt Christiane Noltemeier. Bei einer Versammlung hätten alle Parteien einmütig das Kunstwerk befürwortet. «Das war ein wirkliches Miteinander.»

epd

Source: Kirche-Oldenburg