Hannover (epd). Die Härtefallkommission des Landes Niedersachsen hat im vergangenen Jahr 996 Eingaben erhalten, so viele wie nie zuvor seit ihrem Bestehen. Demgegenüber eröffnete das Gremium insgesamt 287 Personen die Chance auf ein Bleiberecht in Deutschland, sagte die Vorsitzende Anke Breusing am Mittwoch in Hannover. Die reine Anwendung des Rechts komme vereinzelt zu einem Ergebnis, das der Gesetzgeber so nicht beabsichtigt habe, betonte sie: «Wir leisten in diesen Fällen einen wichtigen Beitrag für die Menschen.» Die unabhängige Kommission berät darüber, ob abgelehnten Asylbewerbern in Einzelfällen aus humanitären oder persönlichen Gründen ein Aufenthaltsrecht gewährt werden kann.

Von den 996 Eingaben seien 487 angenommen worden, sagte Breusing. Abgelehnt wurden unter anderem 140 Fälle, in denen die Härtefallkommission formal nicht zuständig war. Weitere 151 Eingaben seien abgeschlossen worden, weil die Betroffenen zwischenzeitlich von einer anderen gesetzlichen Regelung für einen rechtmäßigen Aufenthalt profitiert hätten. Konkret beraten habe die Kommission im vergangenen Jahr in insgesamt elf Sitzungen über 227 Fälle. Von den 131 Fällen, in denen sie sich für eine Aufenthaltserlaubnis ausgesprochen habe, seien 69 Einzelpersonen, 6 Ehepaare und 212 Familien mit 127 Kindern betroffen gewesen.

Breusing rechnet auch in den kommenden Jahren mit Fallzahlen im hohen dreistelligen Bereich. Eine Prognose sei allerdings schwierig. Im Jahr 2016 habe es 828 Eingaben gegeben, im Jahr davor seien es 904 gewesen. Aufgrund der Erfahrungen der vergangenen Jahre lege die Kommission allerdings Wert darauf, dass die Betroffenen aktiv mitwirkten, betonte Breusing. Dazu gehöre beispielsweise, sich zu Themen wie der Identitätsklärung und der Mitwirkungspflicht bei der Passbeschaffung beraten zu lassen. Die Kommission könne selbst bei einer positiven Entscheidung lediglich eine Chance eröffnen: «Diese Chance zu nutzen, liegt bei den Betroffenen selbst.»

Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) lobte die Arbeit des Gremiums. «Die Härtefallkommission ist nach wie vor ein unverzichtbarer Baustein im Kontext der Flüchtlingspolitik der niedersächsischen Landesregierung», sagte er am Mittwoch in Hannover. Es stehe dem Staat gut an, wenn es an dieser Stelle neben dem Recht auch noch eine Gnadeninstanz gebe.

Sämtliche Einzelschicksale würden sorgfältig geprüft, «so dass wir hier keine zweite Ausfahrt für hoffnungslose Fälle schaffen», betonte der Minister. Die Kommission erfülle verantwortungsbewusst und zuverlässig ihren humanitären Auftrag. «Die ausgewogene Entscheidungspraxis der Härtefallkommission zeigt sich daran, dass ich auch in diesem Jahr den Ersuchen bis auf sehr wenige Ausnahmen folgen konnte.»

Internet: www.mi.niedersachsen.de
Härtefallkommission in Niedersachsen: http://u.epd.de/3gj

Das Stichwort: Härtefallkommission
Hannover (epd). Härtefallkommissionen beraten in den Bundesländern darüber, ob abgelehnten Asylsuchenden in Einzelfällen aus humanitären oder persönlichen Gründen ein Aufenthaltsrecht gewährt werden kann.

Spricht sich die ehrenamtliche Kommission in einem «Ersuchen» an das Innenministerium für ein Bleiberecht aus, kann das Ministerium den Aufenthalt genehmigen. Flüchtlinge können schriftliche Eingaben an die Vorsitzende oder die Kommissionsmitglieder richten.

Seit 2006 besteht auch in Niedersachsen eine solche Kommission. Ihr gehören neun Mitglieder und ihre Vertreter an, die vom Innenministerium berufen werden. Kirchen, Kommunen, Wohlfahrtsverbände sowie der Flüchtlingsrat schlagen eigene Vertreter vor. Das Ministerium selbst zieht weitere Vertreter aus Unternehmerverbänden, Gewerkschaften und dem Öffentlichen Dienst sowie einen Arzt mit psychotherapeutischer Erfahrung hinzu.

Für eine positive Entscheidung reicht die einfache Mehrheit der Anwesenden. Ein wichtiges Kriterium ist dabei die soziale, schulische oder berufliche Integration. Die Vorsitzende Anke Breusing vom Innenministerium ist nicht stimmberechtigt. Die Migrationsbeauftragte der Landesregierung, Doris Schröder-Köpf (SPD), darf beratend an den Sitzungen teilnehmen.

Steht bereits ein Ausreisetermin fest, nimmt die Kommission den Fall nicht mehr an. Allerdings werden die betroffenen Personen vorher informiert und erhalten eine Frist von zwei Mal vier Wochen, um sich an die Härtefallkommission zu wenden. Ausgeschlossen ist eine Eingabe auch, wenn der Betroffene bereits strafrechtlich verurteilt ist. Allerdings gibt es Verjährungsfristen, und Bagatellstraftaten führen nicht zu einer Ablehnung.

Source: Kirche-Oldenburg