Es mag hier und da ein wenig Wehmut dabei gewesen sein, als jetzt die Kirchengemeinde „Havenkirche“ in Wilhelmshaven gegründet wurde. Beim Festgottesdienst, zu dem die Christus- und Garnisonkirche gar nicht alle Besucher fassen konnte, kam aber vor allem eins zum Tragen: Hoch motivierte und fröhliche Aufbruchstimmung.
In der neu gegründeten Gemeinde „Havenkirche“ sind zum 1. Januar die bisherigen Kirchengemeinden Heppens, Christus- und Garnisonkirche sowie Lutherkirche aufgegangen. Die drei Gemeinden haben ohnehin schon lange sehr eng und gut zusammen gearbeitet, doch das werde nicht reichen, um die Herausforderungen der Zukunft zu wuppen, hieß es im Gottesdienst. Weniger Mitglieder, Verluste vor allem durch den demografischen Wandel, weniger Personal, weniger finanzielle Ressourcen, das erfordere eine Veränderung der Strukturen.
Deshalb haben die Kirchengemeinden ihre Selbständigkeit aufgegeben und fusioniert. Rund 8.000 Gemeindemitglieder zählt die neue Havenkirche, an der Pfarrstellenbesetzung ändert sich erstmal nichts, die Gemeinde wird von den Pastorinnen Meike von Fintel und Doris Möllenberg sowie den Pastoren Bernhard Busemann, Rainer Claus und Frank Morgenstern betreut werden. Alle anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der einzelnen Gemeinden gehen ebenfalls in die neue Gemeinde über, auch alle Rechte und Pflichten sowie Werte. Das führte die Präsidentin der Synode der Oldenburgischen Kirche, Sabine Blütchen aus. Sie sprach den Kirchengemeinden für das zukunftsorientierte, mutige Handeln Respekt aus. „Ecclisia semper refomanda – die Kirche muss ständig reformiert werden, das wusste man schon vor 500 Jahren“, sagte Blütchen. Kreispfarrer Christian Scheuer sprach von einer „Sternstunde“, die Wilhelmshaven mit der Gründung erlebe. Er verschwieg aber auch nicht, dass so manche bange Frage lange im Hintergrund mitgeklungen habe: wenn stolze und selbstbewusste Kirchengemeinden die Eigenständigkeit aufgeben, kommt dann nicht vielleicht alles ins Rutschen?
Fast zwei Jahre haben die Gemeindekirchenräte der drei beteiligten Gemeinden an der Fusion gearbeitet, mit dem Festgottesdienst wurde jetzt das Ergebnis besiegelt. Der wehmütigste Augenblick: Der Einzug aller am Gottesdienst Beteiligten, allen voran jeweils ein älteres und ein ganz junges Gemeindemitglied der einzelnen Kirchengemeinden, die jeweils das Kirchenbuch und das Dienstsiegel hereintrugen, und feierlich ablegten. Diese Dinge sind nun Geschichte. Im Verlauf des Gottesdienstes übergaben Blütchen und Kreispfarrer Christian Scheuer die Urkunde über die Kirchengründung, ein Dienstsiegel und symbolisch auch ein neues Kirchenbuch an den zukünftigen Vorsitzenden des Gemeindekirchenrates, Rainer Claus. „Das könnte zukünftig für kleine Grüße bei verschiedenen Anlässen dienen, denn tatsächlich erfassen wir unsere Daten nicht mehr in so einem Buch sondern digital“, erklärte Scheuer schmunzelnd.
Mit einer eindrucksvollen Symbolik wurde durch ein großes Meer an Kerzen deutlich, wie viele Menschen an einer lebendigen Kirchengemeinde mitwirken. Dass die Aufgaben nicht einfacher werden, unterstrich Pfarrer Rainer Claus. Die Gründung der Havenkirche nur wenige Tage nach Veröffentlichung der Studie zu sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche mache umso betroffener, als gerade diesen Gemeinden ganz besonders die Kinder- und Jugendarbeit am Herzen liege. Was die Studie aufdecke sei erschütternd, „es zerreißt uns das Herz“, sagte Claus. „Wir gründen eine Gemeinde, die sich ganz besonders dem Schutz von Kindern und Jugendlichen verpflichtet weiß, dafür werden wir beten, arbeiten und sorgen“, erklärte der Pfarrer unter großem Applaus.
Mit der Fusion der drei Kirchengemeinden zu einer Gemeinde „Havenkirche“ ist der erste Schritt eines Prozesses vollzogen, der noch lange Zeit in Anspruch nehmen wird. So werden zum Beispiel zunächst noch alle Gottesdienste an gewohnter Stelle und zu gewohnter Uhrzeit stattfinden. Rainer Claus kündigte aber bereits ein neues Konzept an, das aber erst noch erstellt werden müsse.
Ein Beitrag von Annette Kellin
Kirche-Oldenburg
Havenkirche erstrahlt im Lichtermeer