Nach dem Terroranschlag vor einer Synagoge in Halle wollen viele Menschen in Niedersachsen ein Zeichen gegen Antisemitismus und Gewalt setzen. In fünf Städten gab es Mahnwachen und Gebete im Gedenken an die Opfer.
Hannover (epd). Einen Tag nach dem Angriff auf eine Synagoge in Halle haben sich am Donnerstagabend in Niedersachsen viele Hundert Menschen an Mahnwachen und Gebeten beteiligt. Im Stadtzentrum von Hannover versammelten sich rund 400 Menschen zu einer Mahnwache und einem anschließenden Trauermarsch zum Holocaust-Denkmal. In der hannoverschen Marktkirche waren zuvor rund 250 Menschen zu einem multireligiösen Friedensgebet zusammengekommen, unter ihnen Landtagspräsidentin Gabriele Andretta (SPD). Weitere Mahnwachen fanden in Hildesheim, Lüneburg, Oldenburg und Wilhelmshaven statt.
Am zentralen Platz Kröpke in Hannover betonte Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD), es sei wichtig gemeinsam ein Zeichen zu setzen. Die Gesellschaft dürfe nicht zulassen, dass Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Hass fast schon täglich wahrgenommen werden müssten. Nach Halle nur von einem Einzeltäter zu sprechen, sei falsch. Es sei eine gesellschaftliche Stimmung, die dafür den Boden bereitet habe. Die Politik stehe in der Verantwortung auch mit Blick auf die Sicherheit. Zugleich sei es ein erschütterndes Bild wenn mehr Polizei vor Synagogen oder muslimischen Einrichtungen stehe. «Wir brauchen den staatlichen Schutz für die Einrichtungen und wir brauchen den gesellschaftlichen Aufstand dagegen, dass dies nötig ist.»
Der jüdische Verbandsvorsitzende Michael Fürst forderte mehr Engagement gegen Antisemitismus. «Wir wollen, dass jeder Deutsche darauf hinarbeitet, dass so etwas nie wieder passiert.» Fürst hob die Anteilnahme von Vertretern muslimischer Verbände hervor, die ebenfalls zu der Kundgebung gekommen waren.
Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), der sich wegen einer bevorstehenden Sitzung des Bundesrates in Berlin aufhält, erklärte sich solidarisch mit den Mahnwachen. Weil betonte: «Von dieser Gesellschaft gibt es keine Zustimmung zu Hass und Gewalt, sondern die große Mehrheit setzt sich für ein friedliches Zusammenleben ein.»
In der Marktkirche gedachten die Besucher mit einer Schweigeminute der Opfer des Terroranschlags. «Wir haben gestern Szenen gesehen, die wir niemals mehr in Deutschland erleben wollten», sagte die Vorsitzende der Liberalen Jüdischen Gemeinde Hannover, Ingrid Wettberg. «Es war ein Anschlag auf unsere Werte in Deutschland.»
Der evangelische Superintendent Thomas Höflich mahnte: «Wir müssen gemeinsam wachsam sein und entschlossen gegensteuern.» Das Friedensgebet wurde von Vertretern der evangelischen und katholischen Kirche, der jüdischen Gemeinde, der Muslime und der Bahai-Religion mitgestaltet. Der Eingang zur Kirche wurde von mehreren Polizistinnen und Polizisten bewacht.
In Wilhelmshaven waren nach Angaben von Pastor Frank Morgenstern von den Organisatoren rund 180 Menschen dem spontanen Aufruf eines Bündnisses aus Politik, Kirche und Religionsgemeinschaften gefolgt. Sie hatten sich rund um die ehemalige Synagoge der Stadt versammelt.
Im sachsen-anhaltinischen Halle waren am Mittwoch in der Nähe einer Synagoge zwei Menschen erschossen worden. Ermittler gehen von einem antisemitischen Motiv und einem rechtsextremistischen Hintergrund aus. Der Angreifer scheiterte bei dem Versuch, in die Synagoge einzudringen.
Source: Kirche-Oldenburg