Hannover (epd). Nach Ansicht des Juristen Wolfgang Rosenbusch entscheiden sich die Glaubwürdigkeit und das öffentliche Ansehen der evangelischen Kirche maßgeblich an ihrer Bereitschaft, Fälle von sexualisierter Gewalt konsequent aufzuarbeiten. «Sicher ist: Das wird ein langer und kein einfacher Weg. Aber er ist alternativlos, wenn die Kirche aus ihrer schweren Vertrauenskrise raus will», betonte der ehemalige Vorsitzende Richter am Landgericht Hannover im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).

 

Rosenbusch, der Mitglied der Aufarbeitungskommission zu rund 50 Jahre zurückliegenden Fällen sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirchengemeinde Oesede bei Osnabrück ist, bescheinigte der hannoverschen Landeskirche «erkennbar großes Bemühen» aus ihren Fehlern Umgang mit sexueller Gewalt zu lernen. Die dazu beschlossenen Leitlinien und ein jüngst erstellter Interventionsplan für den Umgang mit Missbrauchsfällen dokumentierten, dass die Landeskirche seit etwa 2012 konkrete Schritte zum Schutz vor sexueller Gewalt und einem transparenteren Umgang mit Missbrauchsfällen vollzogen habe.

 

Es blieben aber viele weitere Fragen zu klären, betonte Rosenbusch, der auch an der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle im Bistum Hildesheim beteiligt war. Beispielhaft nannte er Interessenkonflikte, die sich etwa daraus ergeben könnten, dass Pfarrpersonen zugleich Arbeitgeber, Dienstvorgesetzte und Seelsorger ihrer MItarbeitenden sein können. «Genau das war in Oesede der Fall. Der dortige Pastor war auch Vorsitzender der Kirchenvorstandes und damit auch Chef und Arbeitgeber des beschuldigten Diakons, dem er zudem seelsorgerlich verbunden war». Eine solche Konstellation führe fast unweigerlich zu einer Befangenheit, erläuterte Rosenbusch. Es sei deshalb wichtig für die Kirche, sensibel hinzuschauen, «wo sich aus Rollenverflechtungen Probleme ergeben können».

 

Auch die Art, wie die Kirche mit den Missbrauchs-Betroffenen kommuniziere, sei entscheidend für ein Gelingen des Aufarbeitungsprozesses. «Betroffene müssen sofort bei ihrem ersten Zugehen auf die Kirche erfahren, wie es für sie weitergeht, welche Rechte sie haben, ob es eine Aufarbeitung geben wird», unterstrich Rosenbusch. Unklarheiten, Zuständigkeitszweifel oder Verweise an andere Entscheidungsträger sollten möglichst vermieden werden.

 

Zugleich kritisierte Rosenbusch manche Berichterstattung über sexualisierte Gewalt in der Kirche: «Ich nehme eine große Medienresonanz war, wenn es um die empörenden Fakten geht, vermisse aber eine nachhaltige und differenzierte Berichterstattung über die konkreten Aufarbeitungsprozesse.» Gerade weil Teile der Medien äußerst kritisch auf die Kirche blickten, müsse diese umso transparenter und ehrlicher agieren. «Anders wird die Kirche ihr schlechtes Image nicht los».

Kirche-Oldenburg
Jurist: Ansehen der Kirche entscheidet sich am Umgang mit Missbrauch