Im Skandal um den sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche dringt Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza auf weitere Aufklärung. Die CDU-Politikerin forderte die Bistümer auf, den Staatsanwaltschaften Einblick in die Unterlagen zu gewähren. «Ich erwarte nunmehr von den Bistümern eine gute und konstruktive Zusammenarbeit mit der Justiz», sagte Havliza der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (Freitag). «Dies ist ein wichtiger Schritt zur umfassenden Aufklärung der im Raume stehenden Vorwürfe, was selbstverständlich Aufgabe der Justiz und nicht der Kirche ist.»
Havliza hat die drei Generalstaatsanwaltschaften in Niedersachsen um einen Bericht gebeten, wie viele der von den Bistümern Hildesheim und Osnabrück genannten Missbrauchsfälle Gegenstand staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen sind oder waren. Aus der Missbrauchsstudie geht dem Ministeriums zufolge hervor, dass offenbar nicht alle der untersuchten Fälle den Staatsanwaltschaften in Niedersachsen bekannt sind. Zum Teil hätten offenbar die Bistümer selbst die Prüfung vorgenommen.
Nach der von der Bischofskonferenz 2014 in Auftrag gegebenen Studie sollen zwischen 1946 und 2014 insgesamt 1.670 katholische Kleriker 3.677 meist männliche Minderjährige sexuell missbraucht haben. Der Leiter der Untersuchung, Harald Dreßing, hatte einen mangelnden Aufklärungswillen in weiten Teilen der Kirche beklagt. Den Autoren der Untersuchung sei kein Zugang zu Originaldokumenten in den Kirchenarchiven eingeräumt worden.
Auch der Kriminologe Christian Pfeiffer kritisierte in der Zeitung die mangelnde Transparenz der Studie. Die Kirche habe nur einen pauschalen Datensatz zur Verfügung gestellt. «Die Wissenschaft braucht Zugang zu den Akten jedes einzelnen Bistums. So weiß sie nicht: Wo fand welcher Missbrauch statt?» Pfeiffer wollte die Studie ursprünglich selbst anfertigen, nahm dann aber Abstand, weil ihm die Kirche keinen Zugang zu den Originalakten gewähren wollte.
Das Bistum Hildesheim betonte, die Archive seien bereits durch einen unabhängigen Juristen ausgewertet worden. Demnächst würden externe, unabhängige Fachleute als Ansprechpersonen für Fälle sexualisierter Gewalt in fünf verschiedenen Regionen des Bistums angesiedelt.
epd
Source: Kirche-Oldenburg