Auch im Nordwesten beklagen Kassenärzte eine große Zahl nicht wahrgenommener Termine in Arztpraxen. Einige Kassenärzte fordern eine No-Show-Gebühr«. Patientschützer weisen den Vorschlag als »Abzocke” entschieden zurück.
Hannover/Bremen/Dortmund (epd). Patientinnen und Patienten, die trotz gebuchtem Termin nicht erscheinen, sogenannte No-Shows, bereiten Arztpraxen auch im Nordwesten erhebliche Probleme. Rund 20 Prozent der über die zentralen Terminvermittlungsdienste der Kassenärzte vereinbarten Termine würden kurzfristig abgesagt oder nicht eingehalten, teilten die Kassenärztlichen Vereinigungen von Bremen und Niedersachsen auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) am Mittwoch mit. Von der Bremer Servicestelle vermittelte Termine bei Allgemeinärzten würden sogar zu 36 Prozent nicht eingehalten. Dies zeigten zwischen Januar 2021 und Juni 2022 erhobene Daten.
Wie die «Neue Osnabrücker Zeitung» zuvor berichtete, haben nach einer Umfrage der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) 70 Prozent der Arztpraxen in Deutschland Probleme mit No-Shows. Dies sei mehr als ärgerlich, sagte der Vorstandsvorsitzende der KBV, Andreas Gassen der Zeitung: «Die Termine sind geblockt und stehen dann für andere Patienten nicht zur Verfügung.» Gassen forderte eine Ausfallgebühr, die von den Kassen entrichtet werden müssten, wenn Versicherte einen gebuchten Termin verstreichen ließen.
Aus Sicht des Vorstands der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, wäre eine solche Gebühr «Abzocke». Das eigentliche Problem sei die «mangelnde Erreichbarkeit» von Kassenärzten für die Patienten, sagte Brysch am Mittwoch in Dortmund. Auch deshalb suchten kranke Menschen Hilfe in den Notaufnahmen. Mit ihrer Online-Umfrage wolle die KBV ihre «frechen Forderungen» rechtfertigen. Ohnehin verlangten heute schon viele Praxen Strafgebühren für ausgefallene Termine.
Für eine «No-Show-Gebühr» für geschädigte Praxen oder Kliniken hatte sich im Mai bereits der Vorstandsvorsitzende der Bremer Kassenärztlichen Vereinigung (KV), Bernhard Rochell, ausgesprochen. Die KV Niedersachsen indes wies darauf hin, dass die Rechtslage nicht eindeutig sei. Nach gängiger Rechtsprechung hätten Arztpraxen nur dann einen Anspruch auf Schadensersatz, wenn sie nachweisen können, dass ihnen ein Verdienstausfall entstanden ist, sagte Sprecher Detlef Haffke dem epd. Dieser Nachweis lasse sich im Einzelfall oft aber nicht leicht führen.
Zu den No-Shows kommt es laut Haffke auch deshalb, weil Patienten Termine bei mehreren Ärzten derselben Fachrichtung vereinbaren und dann den frühesten wahrnehmen, ohne die anderen abzusagen. «Dies scheint eine Reaktion auf zunehmend lange Wartezeiten auf einen Arzttermin sein.»
Die Kassenärzte gehen mit den Terminausfällen unterschiedlich um. Haffke verwies auf eine KBV-Umfrage vom vergangenen Jahr, wonach fast alle Praxen frei gewordene Termine kurzfristig an andere Patienten (92 Prozent) vergeben oder andere Kranke im Wartezimmer vorziehen (77 Prozent). Ein geringerer Teil plane von vornherein mit einer höheren Termindichte (22 Prozent) oder unternehme gar nichts (14 Prozent).
Kirche-Oldenburg
Kassenärzte beklagen «No-Shows» von Patienten – Patientenschützer nennt Forderung nach Ausfallhonoraren «frech»