Emden (epd). Protestantische Glaubensflüchtlinge haben im 16. Jahrhundert in Emden eine für damalige Zeiten revolutionäre Kirchenverfassung entwickelt. Die Stadt Emden und die Evangelisch-reformierte Kirche wollen am 10. Juni mit einem Festakt an die Emder Synode von 1571 erinnern, deren Beschlüsse bis in die heutige Zeit Einfluss auf kirchliche Verfassungen und die staatliche Verfassung haben, wie die Stadt und die Kirche am Donnerstag mitteilten. Pandemiebedingt werde der Festakt in der Johannes a Lasco Bibliothek per Livestream über www.reformiert.de und www.emden.de übertragen.

 

Vor 450 Jahren hatten sich den Angaben zufolge in Emden 29 Kirchenälteste und Pastoren aus niederländischen evangelischen Flüchtlings- und Untergrundgemeinden versammelt. Blutig von der katholischen Besatzungsmacht der Spanier verfolgt, hatten sie «Gemeinden unter dem Kreuz» etwa in Heidelberg, Frankfurt, in England und in Ostfriesland gegründet. Von dort seien die Teilnehmer zu der Synode angereist, die vom 4. bis zum 13. Oktober in Emden tagte, hieß es.

 

Als virtuelle Gäste via Internet werden zum Festakt Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble und der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm erwartet. Die Protestantische Kirche in den Niederlanden (PKN) werde durch Vizepräses Jeannette Galjaard vertreten. Die Direktorin des Leibniz-Instituts für Europäische Geschichte in Mainz, Professorin Irene Dingel, werde einen Festvortrag halten.

 

Einer der wichtigsten Beschlüsse der Zusammenkunft sei der Entwurf einer nicht-hierarchischen Kirchenordnung, hieß es. Ihr erster Satz stehe noch heute in leicht abgeänderter Form in der Verfassung der reformierten Kirche: «Keine Gemeinde soll über andere Gemeinden, kein Pastor über andere Pastoren, kein Ältester über andere Älteste, kein Diakon über andere Diakone Vorrang haben oder Herrschaft beanspruchen.» Viele Kirchenordnungen weltweit gründeten auf diesen Prinzipien von Selbstbestimmtheit, Gleichheit und staatlicher Unabhängigkeit.

 

Der Kirchenpräsident der Evangelisch-reformierten Kirche, Martin Heimbucher, betonte: «Die Erinnerung an die Emder Synode ist eine Chance zur Besinnung auf wichtige Grundorientierungen in Kirche und Gesellschaft: Gleichberechtigung, Toleranz, Mitverantwortung.» Die Emder Synode sei ein erstaunliches Beispiel dafür, wie aus einer akuten Notlage etwas Zukunftsweisendes entstehen könne.

 

Emden sei 2012 als erste Stadt in Europa von der Gemeinschaft der Evangelischen Kirchen in Europa mit dem Prädikat «Reformationsstadt Europas» ausgezeichnet worden, berichtete der Emder Oberbürgermeister, Tim Kruithoff (parteilos). Die Emder Synode habe das Prinzip der «Subsidiarität» befördert: Die jeweils kleinere Einheit erfüllt ihre Aufgaben so weit wie möglich selbst. Erst wenn Aufgaben dort nicht geregelt werden können oder wenn mehrere Einheiten betroffen sind, soll die größere Einheit damit betraut werden. Vor diesem Hintergrund sei die «Emder Synode von 1571» über die Kirche hinaus ein Modell für spätere Formen demokratischer Selbstbestimmung und Mitverantwortung.

 

Kirche-Oldenburg
Kirche und Stadt erinnern an 450 Jahre Emder Synode