Hannover (epd). Die Corona-Pandemie führt nach Einschätzung des Klinikseelsorgers Lars Wißmann Patienten und Angehörige ebenso wie Pflegekräfte, Ärztinnen und Ärzte in den Krankenhäusern an neue Grenzen. «Die Anspannung nimmt zu in den Krankenhäusern», sagte Wißmann im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Allenthalben sei noch von einer «Ruhe vor dem Sturm» die Rede. «Aber wir wissen noch gar nicht, was dieser Sturm bedeuten wird», sagte der Beauftragte für Krankenhausseelsorge der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers.
So belaste das Kontaktverbot schon jetzt Patienten und Angehörige enorm. «Alles ist auf Corona fixiert, aber es gibt auch den Klinikalltag», sagte der Pastor. «Nach wie vor sterben Menschen nach Verkehrsunfällen oder es werden niederschmetternde Diagnosen gestellt.» Damit müssten Patienten jetzt ohne familiären Beistand fertig werden und Angehörige es aushalten, fern zu bleiben.
Zwar versuchten die Kliniken, zumindest ganz am Anfang und am Ende des Lebens, Besuche möglich zu machen. «Doch auch das führt zu schweren Abwägungen.» Er wisse von einer Familie, aus der nur zwei Angehörige noch einmal an das Bett eines Sterbenden kommen durften. Die Ehefrau sei zugunsten ihrer beiden Kinder zurückgetreten, berichtete Wißmann. Gefühle von Ohnmacht und Hilflosigkeit, wie sie Angehörige auch am Krankenbett verspürten, verstärkten sich aus der Ferne noch.
Die Krankenhausseelsorger machten zunehmend stellvertretend Besuche, erläuterte er. Wenn Menschen sich in der Sorge um Angehörige meldeten, hätten sie auch selbst ein großes Bedürfnis, mit jemandem zu reden. Manchmal könne es ihnen helfen, zu Hause etwas im Sinne der Patienten zu machen. «Die Tochter kann das Gemüsebeet, das der Mutter im Krankenhaus so wichtig ist, gegen Kälte abdecken – aus Liebe zur Mama», nannte er ein Beispiel.
Für Patienten in der Intensivstation, die beatmet würden und nicht sprechen könnten, sei es schwer, «auf den liebenden Blick eines Ehepartners oder Kindes zu verzichten». Bei seinen Besuchen fingen manche von ihnen bitterlich an zu weinen. «Dann ist es noch wichtiger, da zu sein und das mit auszuhalten», sagte Wißmann, der auch Seelsorger an der Medizinischen Hochschule Hannover ist. Corona-Patienten besuchten die Seelsorger «so selten wie nötig und niemals ungeschützt». Dabei komme es auch darauf an, ob genügend Masken und andere Schutzmaterialien da seien, die zunächst den Ärzten und Pflegekräften vorbehalten seien.
Bei allen Mitarbeitenden der Kliniken steige der Druck. «Viele rödeln und ich befürchte, es wird noch schlimm werden», sagte Wißmann. Er werbe seit Jahren für Supervisionsangebote zumindest in der Intensivpflege, die auch von den Kostenträgern finanziert würden. «Es kann gut sein, dass Ärzte und Pflegekräfte nach der akuten Corona-Zeit in ein Loch fallen», mahnte er. Für die Krankenhausseelsorger in der Landeskirche gebe es jetzt ein Gesprächsangebot in der Krise. «Ich hoffe, dass so ein Modell auch für die Pflege geschaffen wird.»
Source: Kirche-Oldenburg