Hannover/Wolfsburg (epd). Nach der fristlosen Kündigung einer Diakoniebeschäftigten aus Wolfsburg haben sich die Konfliktparteien in zweiter Instanz vor dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen auf einen finanziellen Vergleich geeinigt. Der mittlerweile 65-Jährigen war gekündigt worden, nachdem sie aus der Kirche ausgetreten war. Sie habe sich an ihrem Arbeitsplatz in einem Alten- und Pflegeheim «sehr unchristlich» behandelt gefühlt, sagte ihr Rechtsanwalt Oliver Nowak am Montag vor dem Landesarbeitsgericht in Hannover. Darum sei sie aus der Kirche ausgetreten. Die Diakonie führte dagegen an, die Klägerin habe mit dem Austritt die elementare Loyalitätspflicht gegenüber einem kirchlichen Arbeitgeber verletzt. (Aktenzeichen 12 SA 1258/17)
Seit ihrer außerordentlichen fristlosen Kündigung im Juli 2017 lebte die Klägerin Brigitte Henke von Arbeitslosengeld. Ihr früherer Arbeitgeber, das Diakonische Werk Wolfsburg, wird nach dem geschlossenen Vergleich nun den Differenzbetrag zwischen ihrem früheren Lohn und dem jetzigen Einkommen für ein Jahr bis zu ihrem Renteneintritt bezahlen. Das Braunschweiger Arbeitsgericht hatte die Kündigung in erster Instanz bereits für nichtig erklärt. Der Fall hätte auch das Potenzial gehabt, «Rechtsgeschichte» zu schreiben, wenn die Klägerin das Vergleichsangebot ausgeschlagen hätte, sagte Richter Tobias Walkling in der Verhandlung. In der Frage kirchlicher Einstellungs- und Entlassungsregeln habe der Fall eine «grundsätzliche Dimension».
Der Anwalt der Klägerin Nowak sagte, es müsse rechtlich eindeutig geregelt sein, was kirchliche Arbeitgeber dürften, bevor staatliche Instanzen eingriffen. «Jeder andere Arbeitgeber würde sich über solche zugriffsfreien Zonen, wie sie die Kirche hat, sehr freuen.» Eine Kirchenmitgliedschaft sei nicht zwingend nötig, wenn die Tätigkeit wenig bis nichts mit der Verkündigung christlicher Botschaften zu tun habe, sagte Nowak. Diakonie-Anwalt Niclas Schulz-Koffka argumentierte, es könne nicht Sache des Staates sein, zu entscheiden, welche Tätigkeit in kirchlichen Einrichtungen als «verkündigungsnah» eingestuft werden.
Der Europäische Gerichtshof verhandelt derzeit über die Rechtmäßigkeit kirchlicher Einstellungsregeln und damit auch über die Loyalitätsrichtlinie. Der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof, Evgeni Tanchev, befand in seinem Gutachten, dass religiöse Organisationen zwar grundsätzlich zu einer Ungleichbehandlung von Stellenbewerbern mit Blick auf Religion oder Weltanschauung berechtigt seien. Zugleich gelte aber, dass die Entscheidungen des Arbeitgebers von Gerichten geprüft und im Einzelfall zurückgewiesen werden können. Es komme auf die genaue Tätigkeit der ausgeschriebenen Stelle an. Ein Urteil des Gerichts wird in Kürze erwartet.
Source: Kirche-Oldenburg