Die evangelische Kirche feiert 500 Jahre Reformation – und Schauspieler Samuel Koch feiert mit. Weil sich Menschen immer wieder erneuern – und dabei Heimat und inneren Frieden finden können.

Herr Koch, die evangelische Kirche feiert 500 Jahre Reformation. Warum feiern Sie mit?

Die Reformation hat es möglich gemacht, dass ich die Bibel in deutscher Sprache lesen und verstehen darf. Das ist für mich lebensnotwendig.

Wo findet für Sie heute noch Reformation statt?

Ständig, überall und immer wieder. Aber weniger in der Gesellschaft als vielmehr in jedem Einzelnen von uns, der sich durch Erkenntnisse selbst reformiert, erneuert oder bekehrt.

Gab es in Ihrem Leben Reformationsmomente?

Ich bin christlich aufgewachsen und erzogen worden. Meine Eltern haben den Kindergottesdienst im Dorf gehalten, den auch ich immer besucht hatte, bis ich ihn selbst mitgestaltet habe. Meinen Eltern war wichtig, dass meine Geschwister und ich selbst entscheiden, ob wir uns taufen lassen wollen. Erst mit 13 Jahren wurde ich getauft. Das war eine Art Erneuerung für mich. Doch dann wandte ich mich von all dem ab. Ich musste das hinterfragen, konnte das nicht einfach so mitleben. Ich habe auch meine Karriere bei der Bundeswehr hingeschmissen. Irgendwann lebte ich in München auf der Straße und wusste nicht, wo ich übernachten sollte. Da hatte ich wieder einen Erneuerungsmoment: Noch bevor ich „Evangelische Kirche“ im Smartphone eintippen konnte, traf ich auf dem Marienplatz auf eine Straßenevangelisation und bin bei einem Nigerianer untergekommen. In einer christlich-brasilianischen Gemeinde habe ich Heimat gefunden und mich wieder meiner ursprünglichen Ideale besonnen.

Dann der Unfall bei „Wetten dass..?“. Ein Erlebnis, das alles verändert hat.

Drei Monate nach dem Unfall, noch immer im Krankenhaus, sickerte in mein Bewusstsein, dass sich bestätigt, was alle sagen: „Du wirst nie wieder laufen können, nie wieder selbstständig leben, für immer abhängig bleiben.“ Ich hatte die ganze Zeit auf dem Rücken gelegen. Mein Kopf war verschraubt – mit einer Schraubstockkonstruktion, die in den Schädel gebohrt wurde, um an der Halswirbelsäule zu ziehen. Ich bin von einem Ohnmachts-Schmerzanfall in den nächsten gefallen. Oft habe ich mich allein und unverstanden gefühlt. Als ich zum ersten Mal im Rollstuhl sitzend raus "durfte", war es für mich die einzig logische Konsequenz, mich an Gott zu wenden. Wohin sonst sollte ich gehen? Ich habe wieder selbstständig frische Luft eingeatmet. Das zu können war schön. Ich konnte den Sempachersee sehen, die Heidschnucken auf der Wiese, die schneebedeckten Alpen und den blauen Himmel mit Wolken und der Sonne. Plötzlich war ich dankbar für das, was ich sehen durfte und für meine Freunde, die mich alle besuchen wollten, und für meine Familie. Ich war dankbar für die Therapeuten, die mich zum Lachen brachten, und die lieben Schwestern und auch die Ärzte, trotz ihrer blöden Prognosen. Das war ein Moment, in dem ich trotz der ganzen Kacke grinsen musste und mich freuen konnte. Das würde ich als einen seligen oder gnädigen Moment bezeichnen. Ich habe Frieden von innen heraus empfunden. Und ich weiß, dass er ein Geschenk war, das ich mir nicht verdient habe. So einen inneren Frieden kann ich selbst gar nicht produzieren oder mir durch Leistung verdienen. Das war die reine Gnade.

Wie aktuell sind Luther und seine Reformation heute?

Ich glaube, Martin Luther könnte mit seiner revoluzzerischen Art heute noch ebenso reformieren wie damals. Sein Programm, das 500 Jahre alt ist, ist auch heute noch aktuell und notwendig. Gerade in Deutschland, wo wir so satt sind und denken, alles zu haben und keinen Gott zu brauchen. Da wäre ein Luther recht, der sagt, dass ein Auto, ein toller Job doch nicht alles sind, was man zum Leben braucht. Er wäre heute genauso modern, wie er es damals war.

Ein Interview des evangelischen Magazins chrismon.
Source: Kirche-Oldenburg