Hannover/Düsseldorf (epd). Immer mehr Menschen in Deutschland sind arm, obwohl sie arbeiten. Darauf weist die Landesarmutskonferenz Niedersachsen mit Bezug auf eine am Donnerstag in Düsseldorf vorgestellte Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung hin. Der Studie zufolge hat sich die sogenannte Erwerbsarmut von 2004 bis 2014 verdoppelt. Der Anteil der «working poor» an allen Erwerbstätigen im Alter zwischen 18 und 64 Jahren stieg demnach in diesem Zeitraum von 4,8 auf 9,6 Prozent.

   Das angebliche Jobwunder in Deutschland sei vor allem durch wachsende Armut trotz Arbeit erkauft, sagte der Geschäftsführer der Armutskonferenz, Klaus-Dieter Gleitze. Laut WSI-Studie verzeichnete Deutschland EU-weit den höchsten Zuwachs bei der Erwerbsarmut, obwohl gleichzeitig auch die Beschäftigungsrate so stark anstieg wie in keinem anderen europäischen Land. Gleitze betonte, die Löhne der unteren 40 Prozent der Beschäftigten seien seit 1995 real gefallen.

   Fast jeder vierte Niedersachse arbeitet nach Angaben der Landesarmutskonferenz im Niedriglohnsektor. Dazu komme eine «Unterbeschäftigungsquote» im Land von über 8 Prozent. Sie liegt damit deutlich über der offiziellen Arbeitslosenquote von 6 Prozent. Als unterbeschäftigt gelten unter anderem Menschen, die in Ein-Euro-Jobs und Job-Trainings sind. Außerdem gelten allein in Niedersachsen knapp 100.000 Menschen als langzeitarbeitslos.

   Um die Armutsgefährdung von Erwerbstätigen zu reduzieren, fordern die WSI-Experten und die Landesarmutskonferenz eine Eindämmung des Niedriglohnbereiches. Der Mindestlohn sei ein erster Schritt. Außerdem sollten Möglichkeiten der beruflichen Qualifikation und Weiterbildung ausgebaut und auch für Beschäftigte mit Teilzeitjobs oder Niedriglohn geöffnet werden. Hartz-IV-Leistungen sollten erhöht, Sanktionen und Zumutbarkeitsregeln entschärft werden.

epd
Source: Kirche-Oldenburg