Noch kurz die roten Nasen zurechtrücken, dann geht es los: Zehn Clowns im Gymnastikraum der Evangelischen Familien-Bildungsstätte Oldenburg (EFB) balancieren mit bunten Bällen, versuchen, sich die Bälle abzujagen, improvisieren kurze Begegnungen. Als Kursleiterin Katrin Schußmann die Übung beendet, stampft sie zusätzlich ein paar Mal kräftig mit dem Fuß auf. Zwei Teilnehmern, die noch in ihr Spiel vertieft sind, gibt sie Lichtzeichen per Taschenlampe. Denn: Vier der zehn Kursteilnehmer sind gehörlos.

Für die gehörlosen Teilnehmer ist es ein Glücksfall: Katrin Schußmann, die Leiterin des Kurses, ist nicht nur ausgebildete Clownin, sie beherrscht auch die Gebärdensprache. „Daher kann ich meinen Kurs ‚Die rote Nase – kleinste Maske der Welt‘ für Hörende und Gehörlose gemeinsam anbieten – ohne extra Dolmetscher“, erklärt Schußmann. Dass sich Hörende und Gehörlose an der EFB so „barrierefrei“ begegnen können, hat alle Teilnehmer begeistert. „Die Hörenden im Kurs sind sehr neugierig auf unsere Sprache und interessiertan den Gebärden“, hat Kirsten festgestellt, für die Katrin Schußmann aus der Gebärdensprache übersetzt. „Ich glaube, zuerst haben die hörenden Teilnehmer etwas geschluckt“, gebärdet Oliver. Der Kurs war nicht speziell für Hörende und Gehörlose ausgeschrieben worden. „Aber alle haben schnell gemerkt: Es klappt gut mit der Kommunikation“, fährt Oliver fort:„Wir begegnen uns hier auf einer Ebene.“

Die Nase sagt (fast) alles
Ein Clownskurs? Da braucht es nicht viele Worte, könnte man meinen, schließlich geht es auf der Bühne hauptsächlich um Mimik und Körpersprache. Aber natürlich gibt es auch einiges an Theorie zu erklären, was Katrin Schußmann gleichzeitig in Laut- und Gebärdensprache vermittelt. Die Lautsprache ist dabei der Gebärdensprachgrammatik angepasst – für Hörende manchmal etwas ungewohnt, wenn sich Fragewörter wie „wann“ oder „wo“ sowie das Prädikat plötzlich am Ende des Satzes befinden.„Für mich ist es toll, dass sich Katrin als Kursleiterin gleichzeitig an Hörende und Gehörlose wenden kann“, betont Kirsten. „So ist die Ansprache viel direkter als mit einem zusätzlichen Dolmetscher, denn dann müsste ich die ganze Zeit zwischen Kursleiter und Dolmetscher hin- und hergucken. Jetzt bekomme ich die Inhalte unmittelbar mit.“

„Ob in Kursen, beim Arzt oder bei Ämtern – gehörlose Menschen benötigen im Alltag häufig einen Dolmetscher. Das ist immer ein Aufwand, den sie noch zusätzlich organisieren müssen“, weiß Katrin Schußmann. „Kurse mit Gebärdensprachverdolmetschung kosten meist viel Geld“, erzählt Sandra in Gebärdensprache, „denn die Dolmetscher müssen ja bezahlt werden, es sei denn, eine Stiftung oder eine Einrichtung übernimmt die Kosten im Sinne der Inklusion. Das ist von Stadt zu Stadt unterschiedlich, aber eher selten. Dabei ist Bildung für taube Menschen über die Gebärdensprache sehr wichtig – und dafür eben auch der uneingeschränkte Zugang zu allen Kursen.“

Bei der EZB kommen die Teilnehmer auch ohne Übersetzer durch die Spielszenen mit roter Naseleicht miteinander in Kontakt.„Ich finde es spannend, einen Kurs quasi zweisprachig zu erleben und sich ohne Lautsprache auszudrücken“, sagt Gitte. „Zuerst habe ich zwar eine Hemmschwelle gespürt, ich wollte nichts falsch machen. Aber das Gefühl hat sich schon innerhalb der ersten Kursstunde gegeben.“

Nase auf, Alltag raus
„Mir geht es im Kurs vor allem darum, meinen Horizont zu erweitern, als Clown den Ernst des Lebens mal loszulassen, anders als sonst zu agieren“, gebärdet Sandra. „Und ich kann mich hier mit meinem Partner, der ebenfalls mitmacht, als Paar ganz neu erleben.“ Gitte, im Kurs ebenfalls mit Partner dabei, nickt zustimmend. Natürlich wollen alle auch einfach Spaß haben: „Sobald ich die Clownsnase aufsetze, kann ich kindliche Gefühle rauslassen, die man normalerweise unterdrückt“, sagt Kaja. „Wenn ich dann nach dem Kurs nach Hause fahre, fühle ich mich ganz leicht und gelöst.“ Sich neugierig und naiv zu zeigen wie ein Kind, wieder staunen zu können – das mache eine gelungene Clownerie aus, so Katrin Schußmann. Aber diese kindliche Naivität wiederzufinden, falle Erwachsenen oft schwer.

„Mehr Leichtigkeit im Leben finden – das ist für viele Teilnehmer ein Grund, mitzumachen“, so die 37-Jährige. „Einige wollen die Clownerie bei der Arbeit nutzen, um zum Beispiel als Erzieher mit Kindern lockerer umgehen zu können. Im Anfängerkurs geht es aber auch viel um Selbsterfahrung. Darum, mit der roten Nase die Welt zu beschnuppern, sich auszutoben, sich selbst auf eine neue Art kennenzulernen. Im Alltag spielt man meist eine Rolle und zeigt nicht, was man wirklich empfindet“, sagt Schußmann. Als Clown versuche man dagegen, echte Gefühle darzustellen: „So entsteht Komik – wenn das Publikum diese Gefühle erkennt, sich wiederfindet und darüber lachen kann.“

Gemeinsam „in die Nase schlüpfen“
In ihrem Kurs stellt Katrin Schußmann verschiedene Techniken der Clownerie vor, zeigt, wie man ein Publikum fesselt und Spannung aufbaut. Sie erklärt auch die „Nasenregeln“ – so werde zum Beispiel nur auf ihre Ansage hin die rote Nase aufgesetzt: „Die Teilnehmer sollen einen klaren Wechsel zwischen sich selbst als Privatperson und als Clown spüren.“ Für das Auf- und Absetzen dreht man sich jeweils von den anderen weg. „Das ist ein privater Moment. Ein Schauspieler würde sein Kostüm ja auch nicht vor Publikum an- oder ausziehen. Man sollte sich immer einen Augenblick Zeit nehmen, um sozusagen in die Nase zu schlüpfen“, rät die Oldenburgerin. Es geht ihr jedoch auch darum, wie man sich als Clown fühlt, wenn man eigene Emotionen auf die Bühne bringt. Wenn sich die Kursteilnehmer darüber austauschen wollen, übersetzt Katrin Schußmann per Gebärdensprache. Aber vieles lässt sich gerade in diesem Kurs eben auch gut ohne Worte oder Gebärden, einfach mit Mimik und Körpersprache ausdrücken.

Infos:
Katrin Schußmann hat ein Studium der Gebärdensprachen und Erziehungswissenschaft absolviert. Heute arbeitet sie in der Frühförderung mit Eltern und hörbehinderten Kindern, als Leiterin von „babySignal“-Kursen für Eltern und Kinder sowie als Klinikclown unter anderem in Oldenburg, Leer, Aurich und Wilhelmshaven. Seit 2008 leitet sie an der Evangelischen Familien-Bildungsstätte Oldenburg (EFB) Clownskurse. Nach den Osterferien startet ihr neuer Kurs „Die rote Nase – die Bühne ruft“, in dem die Bühnenarbeit als Clown im Vordergrund stehen wird. Ein neuer bilingualer Anfängerkurs „Die rote Nase – kleinste Maske der Welt“ beginnt nach den Sommerferien. Infos dazu gibt es bei der EFB Oldenburg unter der Rufnummer 0441 / 77 60 01 und im Internet unter www.efb-oldenburg.de.
Antje Wilken
Source: Kirche-Oldenburg