Stille und Einkehr: Auf den 65 Kilometern des Pilgerwegs durch die Wesermarsch und das Oldenburg Land sind sie zu finden. Kerstin Kempermann von der Oldenburger Redaktion der Evangelischen Zeitung hat sich aufs Rad geschwungen und sich auf den ökumenischen Pilgerweg „Ochtum, Marsch und Moor“ begeben. Sie hat viele Eindrücke gesammelt und Neues über die Region erfahren.
Das Bogenkreuz in Altenesch ist der Startpunkt. Eigentlich ist es die vierte Station auf dem ökumenischen Pilgerweg „Ochtum, Marsch und Moor“, aber für meinen kurzen Ausbruch aus dem Alltag habe ich mir das stählerne Kreuz als Ausgangspunkt ausgesucht. Schon von weitem kann ich es sehen. Mit seinem gebogenen Metall nimmt es die Biegung des alten Deichbogens der Ochtum, an dem es liegt, wieder auf und passt so in die Landschaft.
Schnell kontrolliere ich mein Gepäck. Wasserflasche, Pilgerpass und die Karten zur Tour sind eingepackt. Den ersten Stempel in den Pilgerpass gedrückt, und es kann losgehen. Die erste Etappe ist kurz, über einen schmalen Weg am Deich entlang geht es Richtung St.-Gallus-Kirche Altenesch. Noch keine Zeit, den Kopf richtig frei zu bekommen.
Nur die Vögel sind zu hören
Die St.-Gallus-Kirche Altenesch wurde 1299 erstmals urkundlich erwähnt. Das erfahre ich, als ich an der kleinen Kirche anhalte. In der Kirche ist alles ruhig. Und erstmals überkommt auch mich diese Ruhe. Kein Terminstress, den ganzen Tag habe ich mir für diese Tour freigehalten. Dennoch werde ich nicht die kompletten 65 Kilometer schaffen, über die der Pilgerweg von der südlichen Wesermarsch über Ganderkesee und Delmenhorst bis in den Westen Bremens führt.
Doch zum Glück werden Abkürzungen angeboten. Eine davon nutze ich und radele von Altenesch aus zum Moorkreuz nach Neuenlande. Die Strecke führt mich an Feldern und Weiden entlang. Um mich herum Ruhe, nur unterbrochen von Vogelgezwitscher. Ab und zu werde ich von einem Auto überholt. Aber es ist früh am Vormittag und ich habe die Straße oft für mich.
Neuenlande ist eine im Jahr 1790 gegründete Moorsiedlung, die zur Kirchengemeinde Schönemoor gehört. Das Pilgerkreuz aus Fachwerkbalken erinnert daran, dass auch die meisten Häuser Fachwerkhäuser sind. Von Neuenlande geht es Richtung Stenum. Dabei fahre ich auf bekannten Strecken. Nicht nur mein Arbeitsweg geht hier entlang, der Pilgerweg führt fast an meinem Zuhause vorbei. So bin ich auch darauf aufmerksam geworden. Bei einem Spaziergang entdeckte ich einen der Wegweiser, und die Idee, selbst diesen Pilgerweg zu fahren, nahm Gestalt an.
Doch durch die Nähe zum Zuhause, will sich der Alltag in meine Gedanken schleichen. Stattdessen konzentriere ich mich wieder auf die Natur und das tolle Gefühl, unterwegs zu sein. Unterwegs mit Gott. Umgeben von den Bäumen im Stenumer Holz fühlt man sich der Schöpfung verbunden. Und schließlich erreiche ich die kleine katholische Kapelle St. Michael. Früher war das Gebäude ein Wohnhaus mit Laden und Lagerraum. Doch in den 1950er Jahren wurde es von der katholischen Kirchengemeinde für die vertriebenen katholischen Christinnen und Christen aus den Ostgebieten erworben und zur Kapelle umgebaut. Auch hier will ich mir meinen Stempel holen, aber leider ist der Kasten abgeschlossen.
Also geht es weiter zum nur wenige Meter entfernten Steinkreuz. Hier lege ich im Schatten der Bäume eine längere Rast ein und spreche die Meditation, die auf der Tafel beim Kreuz abgedruckt ist. „Spüre, du bist niemals schutzlos“ endet sie. Und unter dem Dach der Bäume mit Blick auf das eindrucksvolle Kreuz, in dem sich die Sonne spiegelt, fühle ich mich tatsächlich beschützt.
Erholt steige ich wieder auf mein Fahrrad. Das nächste Etappenziel ist die St. Katharinenkirche in Schönemoor. Doch an einer Kreuzung fehlen plötzlich die Hinweisschilder. Aber ein kurzer Blick auf die Karte verrät die weitere Strecke. An der Kirche suche ich zunächst nach der Stempelstation. Dort begegne ich Friedhofsgärtner Jochen Hoffmann. Er lässt mich auch einen Blick in die abgeschlossene Kirche werfen. Still setzte ich mich auf einen der Stühle und lasse den Altarraum, der von der Sonne in ein warmes Licht getaucht ist, auf mich wirken. Ein Moment totaler Ruhe.
Die St.-Katharinen-Kirche in Schönemoor wurde schon als Pilgerstätte geplant und gebaut. Nach der Einweihung im Jahr 1324 gab es für die Pilger einen 40-tägigen Ablass vom Fegefeuer. Das besagt eine Ablassurkunde des Papstes in Avignon aus dem Jahr 1333. Im Eingangsbereich der Kirche ist sie als Kopie ausgestellt. Passend, dass die Kirche nun an einem Pilgerweg liegt. „Es kommen häufiger Pilgergruppen“, berichtet Hoffmann.
2001 wurde das erste Wegekreuz errichtet
Von Schönemoor geht es weiter Richtung Delmenhorst. Genauer nach Hasbergen. Die Strecke durch den Wald gehört zu einer der ruhigsten. In Hasbergen begegne ich einer größeren Gruppe Radfahrer. „Auch unterwegs auf dem ökologischen Radweg?“, fragen sie. Mein Hinweis auf die Pilgertour interessiert sie. „Die Schilder haben wir auch gesehen“, ertönt es, bevor sich unsere Wege trennen. Mein Ziel ist die St.-Laurentius-Kirche in Hasbergen. Sie wurde 1336 errichtet. Das Innere der Kirche kann ich mir leider nicht anschauen, da gerade eine Beerdigung stattfindet.
Stattdessen radele ich weiter zu meiner letzten Station: dem Wegekreuz in Schohasbergen. Es war 2010 das erste der für den Pilgerweg erbauten Wegkreuze. Und es ist das flachste. Deshalb radele ich – in Gedanken versunken – zunächst vorbei. Erst auf dem Rückweg entdecke ich die fünf Findlinge in Kreuzform am Rande eines Feldes und lerne, dass auf dem angrenzenden Acker im Mittelalter eine Kapelle stand. Für mich ein passender Endpunkt meiner Tour.
Ein Beitrag von Kerstin Kempermann, Evangelische Zeitung, Redaktion Oldenburg.
Source: Kirche-Oldenburg