Wittenberg/Hannover (epd). Ökumene auf Weltebene: Die großen Kirchenbünde von Lutheranern und Reformierten haben in Wittenberg ihre Verbundenheit bekräftigt. Bei einem ökumenischen Festgottesdienst in der Lutherstadt trat die Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen am Mittwoch der «Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre» bei. Zusammen mit dem Lutherischen Weltbund unterzeichnete sie zudem in der Stadtkirche ein «Wittenberger Zeugnis». An der feierlichen Zeremonie nahmen hohe Vertreter aus dem Vatikan, den Freikirchen und der weltweiten Christenheit teil.

   Die Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen repräsentiert rund 80 Millionen Protestanten aus der Tradition der Schweizer Reformatoren Ulrich Zwingli (1484-1531) und Johannes Calvin (1509-1564). Dem Lutherischen Weltbund (LWB) gehören über 74 Millionen Christen an. Für die Reformierten war der Festakt ein Höhepunkt ihrer rund zehntägigen 26. Generalversammlung in Leipzig. Die Generalversammlung tagt nur alle sieben Jahre, zuletzt 2010 im US-amerikanischen Grand Rapids. Das Treffen der Reformierten ist im Gedenksommer an das 500. Reformationsjubiläum die größte evangelische Kirchentagung. Die Geschäftsstelle der Weltgemeinschaft hat ihren Sitz in Hannover.

   Der ökumenische Festakt in Wittenberg sei «ein historischer Moment», sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm. 500 Jahre nachdem der Mönch Martin Luther in Wittenberg die Reformationsbewegung und damit die Spaltung der abendländischen Christenheit angestoßen habe, hätten die Christen verstanden, dass sie sich nicht mit dieser Trennung abfinden müssen. «In dieser Welt, die uneins ist, setzen wir ein Zeichen ökumenischer Einheit», sagte Bedford-Strohm in Wittenberg vor den rund tausend Gästen der Tagung.

   Lutheraner und Reformierte verpflichten sich in dem «Wittenberger Zeugnis» unter anderem zu einem größeren Einsatz für eine gerechte und friedliche Welt. LWB-Generalsekretär Martin Junge unterschrieb für die weltweite lutherische Gemeinschaft von 145 Kirchen. Generalsekretär Chris Ferguson für die Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen (WGRK), die mehr als 225 Kirchen zu ihren Mitgliedern zählt. Das «Wittenberger Zeugnis» ist das Ergebnis von jahrzehntelangem theologischen Dialog, erklärte der reformierte Weltbund.

   Die «Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre» gilt als Meilenstein der christlichen Ökumene, in der sich Katholiken und Lutheraner am Reformationstag 1999 darauf einigen konnten, dass sie das Verständnis der Rechtfertigung aus Gottes Gnade durch den Glauben an Christus teilen. Später stimmten auch Methodisten und Anglikaner der Erklärung zu.

   Die Auslegung der Rechtfertigungslehre durch Martin Luther war einer der Auslöser der Kirchenspaltung im 16. Jahrhundert. Bei dem Streit ging es um die Frage, wie das durch Sünde gestörte Verhältnis zwischen Mensch und Gott wieder in Ordnung kommt. Luther (1483-1546) hatte die seinerzeit herrschende Auffassung, der Mensch könne durch religiöse Leistungen wie Beten, Fasten und Ablass zahlen sein Verhältnis zu Gott in Ordnung bringen, radikal infrage gestellt.

   Neben dem EKD-Ratsvorsitzenden und den Generalsekretären nahmen auch der Präsident der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen, Jerry Pillay (Südafrika), Bischof Brian Farrell, Sekretär der Päpstlichen Rats für die Einheit der Christen, und Jong Chun Park (Südkorea), Präsident des Weltrats Methodistischer Kirchen, an der Zeremonie teil.

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Stichwort: Rechtfertigungslehre
Martin Luthers Lehre von der Rechtfertigung des «sündigen» Menschen vor Gott wurde vor fast 500 Jahren zum theologischen Ausgangspunkt der Kirchenspaltung in Europa. Die Kernthese der Reformation, dass der Mensch sein Heil allein aus göttlicher Gnade gewinnen kann und nicht aufgrund eigener Verdienste, steht bis heute im Zentrum protestantischer Verkündigung.

   Luther (1483-1546) hatte die seinerzeit herrschende Auffassung, der Mensch könne durch religiöse Leistungen wie Beten, Fasten und Ablass zahlen sein Verhältnis zu Gott in Ordnung bringen, radikal infrage gestellt. Er berief sich dabei auf den Apostel Paulus, der im Römerbrief schrieb, der Mensch werde nicht durch eigene «Werke», sondern allein durch «Glauben» gerecht. Eigenes Handeln, Vermögen und Leistung sind demnach für den Wert eines Menschen nicht entscheidend.
Auch der Glaube sei keine menschliche Leistung, betonen Theologen, sondern werde von Gott geschenkt.

   Im Konzil von Trient (1545 bis 1563) verwarf die katholische Kirche die aus ihrer Sicht «irrige Lehre von der Rechtfertigung». Gute Werke und Leistungen, etwa Teilnahme an Gottesdienst, Wallfahrt, Beichte oder Abendmahl, trügen durchaus zum Seelenheil bei, hieß es. Die Rechtfertigungslehre bildete seit dem Konzil ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal zwischen evangelischer und katholischer Kirche. Eine Annäherung erfolgte erst Ende des 20. Jahrhunderts. Nach rund 30-jährigem Dialog hoben Lutheraner und Katholiken 1999 in einer Gemeinsamen Erklärung ihrer früheren gegenseitigen Lehrverurteilungen auf.

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Source: Kirche-Oldenburg