Mit einem neuen Gesetzentwurf will Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) den Mangel an Spenderorganen in Deutschland beheben. Doch die Reaktionen aus Niedersachsen sind eher negativ.

Hannover (epd). In der Diskussion um eine Neuregelung der Organspende haben der hannoversche Landesbischof Ralf Meister und Niedersachsens Ärztekammer-Präsidentin Martina Wenker eine Widerspruchslösung abgelehnt. «Ich halte den Weg der Widerspruchsregelung für falsch», sagte Meister am Montag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Eine solche Entscheidung müsse freiwillig sein: «Bei der Frage einer Organentnahme muss ich selbst zu Lebzeiten aktiv Ja sagen und das Kreuzchen auf dem Organspendeausweis machen», betonte der evangelische Theologe. Auch Wenker sowie Niedersachsens Sozialministerin Carola Reimann (SPD) plädierten für eine freiwillige Regelung.

Eine Gruppe von Bundestagsabgeordneten um Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und den SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach hatte zuvor in Berlin einen fraktionsübergreifenden Gesetzentwurf zur Einführung einer Widerspruchsregelung bei Organspenden vorgelegt. Danach soll künftig prinzipiell jeder im Fall des Hirntodes Organspender sein, der zu Lebzeiten nicht einen gegenteiligen Wunsch dokumentiert oder seinen Angehörigen mitgeteilt hat. Ziel des Entwurfs ist, die Zahl der gespendeten Organe zu erhöhen.

Der Entscheidung für oder gegen eine Organspende gingen viele persönliche und emotionale Fragen voraus, sagte Meister, der selbst einen Organspende-Ausweis bei sich trägt. Sie berührten das Vertrauen in die Ärzte ebenso wie die Menschenwürde. «Deshalb muss ich in Verantwortung vor Gott und den Menschen frei entscheiden, ob Organe und Gewebe entnommen werden.»

Ärztekammer-Präsidentin Wenker sagte dem epd: «Für mich ist eine Spende nur dann eine Spende, wenn sie freiwillig geschieht.» Eine Widerspruchslösung werde die möglicherweise bestehenden Ängste einzelner Menschen, sich mit dem eigenen Tod beschäftigen zu müssen, eher verstärken. Daher plädiere sie weiterhin für eine Informations- und Entscheidungslösung. Wenker ist zugleich Vizepräsidentin der Bundesärztekammer.

Um den Mangel an Spenderorganen in Deutschland zu beheben, müsse es unter anderem eine intensive Aufklärung der Bevölkerung geben, sagte sie. Zugleich müsse die Erkennung potenzieller Organspender auf Intensivstationen verbessert werden. Dies sei durch die verbindliche Einführung von Transplantationsbeauftragten zu erreichen, die den Prozess der Organspende begleiteten und die in jedem Einzelfall belastenden Gespräche mit den Angehörigen führten. Niedersachsen sei mit einer neuen landesgesetzlichen Regelung auf dem Weg dorthin.

Ministerin Reimann sagte, Spahns Entwurf wolle aus einer freiwilligen Spende eine Pflicht zur Organabgabe machen. «Das wäre ein starker Eingriff in die Grundrechte einer Person.» Für sie habe die Selbstbestimmung den höchsten Stellenwert, unterstrich Reimann.
Nötig sei eine eigene bewusste Entscheidung. Schweigen könne nicht als Zustimmung gewertet werden. «Über den eigenen Körper selbst bestimmen zu können, ist unser höchstes Gut.»

Auch der Dachverband Evangelische Frauen in Deutschland wandte sich gegen eine Widerspruchslösung. Der Gesetzentwurf sei ein «Paradigmenwechsel und eine Pervertierung des Spende-Gedankens», sagte die Vorsitzende Susanne Kahl-Passoth in Hannover.
«Definitionsgemäße Voraussetzung einer Spende ist Freiwilligkeit. Und eben diese will Spahn abschaffen.» Der Gesetzentwurf setze eine Art «Sozialpflichtigkeit» des toten menschlichen Körpers voraus, kritisieren die evangelischen Frauen.

In Deutschland warten derzeit rund 9.400 Menschen auf ein lebensrettendes Spenderorgan. In Niedersachsen war die Zahl der Organspenden zuletzt gesunken: von 73 im Jahr 2016 auf 62 zwei Jahre später.

Source: Kirche-Oldenburg