Bremen (epd). Der Bremer Gesundheitsökonom Heinz Rothgang hat die aus seiner Sicht bisher unzureichenden Maßnahmen der Politik zur Begrenzung der Eigenanteile in der Pflegeversicherung für die vollstationäre Pflege kritisiert. «Es zeigt sich ein deutlicher Reformbedarf, wenn an dem für die Einführung der Pflegeversicherung bestimmenden Ziel festgehalten werden soll, eine pflegebedingte Verarmung zu verhindern», erklärte Rothgang am Mittwoch auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd).

Erreicht werden könne dieses Ziel nur durch eine absolute Deckelung der Eigenanteile, führte Rothgang aus. Eine Reform, bei der die pflegebedingten Eigenanteile auf Null gesetzt werden würden, reduziere die Gesamteigenanteile Stand Juli 2023 um mehr als 800 Euro. Das sei effektiv, auch wenn die Kosten für Unterkunft und Verpflegung, Investitions- und Ausbildungskosten nicht einbezogen wären.

Flankiert werden müsste eine entsprechende Regelung aber dadurch, dass die Ausbildungskosten nicht mehr von den Pflegebedürftigen zu tragen seien, forderte Rothgang. Außerdem müssten sich die Länder stärker an der Finanzierung der Investitionskosten beteiligen. «So entsteht Planungssicherheit für die zukünftigen Pflegebedürftigen, und die Mehrausgaben für die Pflegeversicherung können im Vergleich zu einer Vollversicherung reduziert werden.»

Bei einer Vollversicherung müssten die Beiträge deutlich steigen oder die zusätzlichen Ausgaben mit staatlichen Milliarden-Zuschüssen finanziert werden. In der vollstationären Pflege lagen die bundesdurchschnittlichen Gesamteigenanteile einschließlich der umgelegten Ausbildungskosten Rothgang zufolge im Juli des laufenden Jahres bei 2.248 Euro. Das seien 52 Euro oberhalb des Wertes vom 1 Juli 2021.

Das im Koalitionsvertrag genannte Ziel der Begrenzung der Eigenanteile in der Langzeitpflege werde trotz ergriffener Gegenmaßnahmen klar verfehlt, fasste Rothgang zusammen. Nach seinen eigenen Modellrechnungen seien schon für 2026 bundesdurchschnittliche Eigenanteile von 2.500 Euro zu erwarten. Das werde die finanziellen Möglichkeiten der großen Mehrheit zukünftiger Pflegebedürftiger «weit übersteigen».

 

Unterdessen setzt sich der Paritätische Wohlfahrtsverband mit einer Postkartenaktion an Niedersachsens Sozialminister Andreas Philipp (SPD) für eine Pflegevollversicherung ein. Einer forsa-Umfrage im Auftrag des Bündnisses für eine Pflegevollversicherung zufolge spricht sich eine große parteiübergreifende Mehrheit (81 Prozent) für den Ausbau der Pflegeversicherung zu einer Vollversicherung aus.

Kirche-Oldenburg
Pflegebedingte Armut: Gesundheitsökonom fordert mehr Gegenmaßnahmen