Delmenhorst (epd). Der Einsatz von Telemedizin zur Entlastung von Hausärzten im Bereitschaftsdienst hat sich laut einer Bilanz zur Halbzeit eines Modellprojektes im niedersächsischen Umland von Bremen bewährt. Es gebe in der Bevölkerung nur positive Reaktionen, sagte am Freitag Helmut Scherbeitz von der Kassenärztlichen Vereinigung in der Region. Wenn in der Projektregion um Delmenhorst, Ganderkesee und Lemwerder ein Patient an Wochenenden beim hausärztlichen Notdienst Hilfe anfordert, fährt bei Bedarf kein Arzt, sondern ein Notfallsanitäter oder ein Krankenpfleger los, der durch Telemedizin unterstützt wird.

Das Projekt startete Anfang Juli 2018. Seither sei kein Hausarzt mehr eingesetzt worden, sagte Scherbeitz. Die Zahl der Hausärzte ist bundesweit rückläufig. Rund ein Drittel sei mittlerweile über 60 Jahre alt, hieß es. Besonders in ländlichen Bereichen wie der Modellregion drohen Versorgungsengpässe im Bereitschaftsdienst. Dies kann unter Umständen zu einer zusätzlichen Belastung des Rettungsdienstes und der Notfallambulanzen der Krankenhäuser führen. Um dem zu begegnen, wurde das Modellprojekt zur Telemedizin als Unterstützung im Bereitschaftsdienst gestartet.

Bis Ende Juni des laufenden Jahres hat es nach Angaben von Projektleiter und Oberarzt Daniel Overheu 273 Einsätze gegeben. Davon liefen 58 Prozent in Kombination mit Telemedizin, die über Mobilfunk abgewickelt wird. Zuvor werden von Freitagabend bis Montagmorgen Hilferufe von Patienten an eine Leitstelle im Klinikum Oldenburg weitergeleitet, wo ein Notarzt am Telefon Bagatellfälle aussortiert. Wenn es nötig ist, wird ein Notfallsanitäter oder ein Krankenpfleger der Johanniter-Unfallhilfe losgeschickt.

Bei Bedarf können vor Ort Daten wie ein EKG live über die Telemedizin übertragen und mit einem Facharzt des Klinikums analysiert werden. «Meist reicht aber ein Anruf, um sich zu beraten», ergänzte Overheu, ärztlicher Leiter der Telemedizin am Klinikum Oldenburg. Sollte tatsächlich ein Notfall vorliegen, werde der Patient ins Krankenhaus gebracht. Dies sei bei einem knappen Drittel der Einsätze geschehen. In fast 60 Prozent aller Fälle habe man zu Hause helfen können: «Die meisten Menschen brauchen einen Kümmerer.»

Dass an Wochenenden bei Hausbesuchen nach Notrufen in der Region kein Arzt mehr kommt, ist für Hilfesuchende offensichtlich kein Problem. «Die Standardreaktion der Patienten ist: Das ist mir egal – Hauptsache, es wird mir geholfen», berichtete Notfallsanitäter Klaus-Dieter Berner, gleichzeitig Projektbeauftragter der Johanniter. Insgesamt teilen sich seinen Angaben zufolge sechs speziell ausgebildete Fachkräfte die Einsätze in den Wochenend-Schichten.

Ob das Projekt nach seinem offiziellen Ende am 31. Dezember fortgeführt werden kann, ist ungewiss. Bisher wird es aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds, der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen, der Johanniter-Unfall-Hilfe und des Klinikums Oldenburg finanziert. Bei einer Verstetigung müssten die Krankenkassen einspringen, sagte Scherbeitz. «Die sagen: Das ist neu, warum sollen wir das bezahlen?» Dabei könne es durchaus sinnvoll sein, das Projekt noch auszudehnen, um auch an Werktagen den hausärztlichen Bereitschaftsdienst zu entlasten.

Source: Kirche-Oldenburg