Mehr als 120 Teilnehmende aus der ganzen Welt haben sich vom 18. bis 22. Mai in Halle/Saale versammelt, um darüber nachzudenken, wie Erkenntnisse der protestantischen Reformation vor 500 Jahren heute zur Transformation der Welt beitragen können.

„Wir wollen einen echten ökumenischen und globalen Dialog über die Erfolge, aktuelle Herausforderungen und neue Erkenntnisse über die Bedeutung reformatorischer Prinzipien initiieren und fördern“, sagte Pfarrerin Cornelia Füllkrug-Weitzel, Präsidentin des Deutschen Evangelischen Entwicklungsdienstes Brot für die Welt, bei der Eröffnung der Konferenz. Die Konferenz in Halle ist der zweite Teil einer „Twin-Konsultation“ über „Reformation – Bildung – Transformation“, die mit einer Tagung in São Leopoldo in Brasilien im November 2015 begonnen hatte.

Im Vorfeld des Reformationsjubiläums im kommenden Jahr untersucht das Projekt den Beitrag reformatorischer Traditionen und Theologien zur Stärkung und Transformation der Zivilgesellschaft. Besonders betrachtet wird die Fähigkeit, Gerechtigkeit, Frieden, Nachhaltigkeit und Menschenrechte, sowohl lokal und als auch global, zu fördern. Auf der Bedeutung von Bildung liegt ein besonderes Augenmerk.

„2017 wird kein Ereignis werden, das zurückblickt, sondern wir sehen darin eine Gelegenheit, darüber nachzudenken, wo Reform und Reformation heute in Kirche und Gesellschaft nötig sind“, betonte die Botschafterin der Evangelischen Kirche in Deutschland für das Reformationsjubiläum, Pastorin Dr. Margot Kässmann, in Halle.

Bei beiden Konsultationen in Brasilien und in Deutschland – wobei einige Teilnehmende bei beiden Veranstaltungen zugegen sind – werden die gleichen Themenbereiche in zwei verschiedenen globalen Kontexten reflektiert werden, und so einen Beitrag zum 500. Jahrestag der Reformation und ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft leisten.

„Befreit von den engen Grenzen früherer Zeiten, begrüßen wir heute die Chancen, aus unterschiedlichen Blickwinkel die transformative Kraft der Reformation zu entdecken,“ sagte der Oldenburger Bischof Jan Janssen, Vorsitzender des Vorstandes der Evangelischen Missionswerk in Deutschland (EMW), und lobte die „Möglichkeiten neuer Netzwerke, Nachbarschaften und neuer Beziehungen in einer globalisierten Welt“.

In einer Grundsatzrede bezog sich Pastor Jerry Pillay, Präsident der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen, auf die Folgen der Globalisierung in wirtschaftlicher, politischer, kultureller und religiöser Hinsicht. „Migration, ob gezwungen oder freiwillig, Veränderungen in den Familienstrukturen, der wirtschaftliche, ökologische und soziale Druck fördert eine Mobilität, die unterschiedliche soziale und religiöse Identitäten schafft“, sagte er. Zugleich bedrohten Rassismus und ethnische und religiöse Gewalt in Afrika, den USA und der ganzen Welt den Frieden. „Diese neuen Realitäten verändern die Art, wie wir Theologie heute betreiben“, so Pillay.

Die Konferenz findet in den Franckeschen Stiftungen in Halle/Saale statt, die von dem Theologen August Hermann Francke 1698 als pädagogische und soziale Organisation für die Armen gegründet wurde. In seiner Begrüßungsansprache stellte der Direktor des Instituts, Dr. Thomas Müller-Bahlke, fest, dass die Fragen der Konsultation in die Geschichte der Franckeschen Stiftungen zurückverfolgt werden könnten. Francke, sagte er, habe geglaubt, dass Bildung ein Schlüssel für die Entwicklung der Gesellschaft sei. Heute lernen, lehren und leben in den Franckeschen Stiftungen 4.000 Menschen.

Halle gehört zu einer Region, die eng mit dem Leben und Werk Martin Luthers verbunden ist. Dessen Streit mit dem Papsttum über kirchliche Missstände setzten 1517 die Ereignisse, die zur Reformation und der Spaltung der westlichen Christenheit in die römisch-katholische und protestantischen Kirchen führten, in Gang.

Die Region Ostdeutschland sei die säkularste Region der Welt, stellte die Soziologin Dr. Monika Wohlrab-Sahr von der Universität Leipzig fest. Dies habe seine Wurzeln in vier Jahrzehnten kommunistischer Herrschaft von 1949 bis 1989 sowie anderen Faktoren aus dem 19. Jahrhundert, erklärte sie.

Die Frage der Vermittlung der christlichen Botschaft in eine säkularisierte Welt ist ein besonderer Schwerpunkt der Konferenz. Eine Podiumsdiskussion am 19. Mai, an der auch Bischöfin Ilse Junkermann der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland teilnahm, konzentrierte sich auf die Rolle der Kirchen und Christen in der Öffentlichkeit in den östlichen Bundesländern.

Die „Twin-Consultation“ ist ein gemeinsames Projekt von EMW, Brot für die Welt, Faculdades EST São Leopoldo (Brasilien), der Franckeschen Stiftungen und der Martin-Luther Universität Halle-Wittenberg, in Kooperation mit dem Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK), dem Lutherische Weltbund (LWB), der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen (WCRC) sowie der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Weitere Informationen finden Sie in englischer Sprache unter: www.r-e-t.net/en/index.html 

Ein Beitrag von Stephen Brown, freier Journalist, übersetzt von Freddy Dutz (EMW).

Das Evangelische Missionswerk in Deutschland (EMW) ist der Dach- und Fachverband evangelischer Kirchen, evangelischer Freikirchen und regionaler Missionswerke sowie einzelner missionarischer Verbände und Einrichtungen für die ökumenische, missionarische und entwicklungsbezogene Zusammenarbeit mit Christen und Kirchen in Übersee und für ökumenische Bewusstseinsbildung in Deutschland. Seine Mitglieder sind evangelische Missionswerke, missionarische Verbände sowie Freikirchen und die Evangelische Kirche in Deutschland. Das EMW pflegt partnerschaftliche Beziehungen zu Kirchen in Übersee; berät und fördert Projekte ökumenischer Partner; verantwortet bestimmte Bereiche kirchlicher Entwicklungszusammenarbeit und vermittelt Erfahrungen von Christinnen und Christen in unsere Kirchen.

Source: Kirche-Oldenburg