Emden (epd). Die Zahl der Mitglieder der Evangelisch-reformierten Kirche wird einer wissenschaftlichen Prognose zufolge bis zum Jahr 2060 in Deutschland um gut 42 Prozent zurückgehen. Das hätten Finanzwissenschaftler der Universität Freiburg berechnet, sagte am Freitag der Vizepräsident der Kirche, Helge Johr, vor der Synode der Reformierten in Emden. Parallel dazu gingen die Finanzmittel «deutlich spürbar» zurück. Doch Johr machte auch deutlich: Die Kirche kann den Mitgliederschwund noch abfedern.
Anfang Mai hatte die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) die Studie zur Mitglieder- und Finanzentwicklung veröffentlicht. Sie prognostiziert allen Landeskirchen bis 2060 einen Rückgang ihrer Mitglieder und der Finanzkraft um die Hälfte, also im Durchschnitt etwas deutlicher als bei den Reformierten. Die reformierte Kirche hatte die für sie geltenden Zahlen bisher noch geheim gehalten, um sie nun zunächst ihren Synodalen vorzustellen.
Derzeit zählen rund 173.500 Mitglieder in 145 Gemeinden zwischen Ostfriesland und dem Allgäu zur reformierten Kirche. 2060 seien es voraussichtlich 100.000, sagte Johr und berief sich dabei auf die Prognose des Forschungszentrums Generationenverträge der Freiburger Universität. Die Finanzkraft werde sich auf 56 Prozent des gegenwärtigen Volumens reduzieren.
Der größere Teil des Rückgangs bei den Reformierten habe demografische Gründe, führte Johr aus. Doch den Gemeinden fehle es auch an gläubigem Nachwuchs, weil mehr Menschen austräten und zugleich immer weniger Kinder getauft würden. Aber gerade mit Blick auf die Taufquote könne die Kirche aktiv werden: «Das kann durchaus Mut machen. Wir haben jetzt Chancen, Weichen zu stellen.»
Schon kleine Veränderungen in der Entwicklung könnten auf Dauer erhebliche Auswirkungen haben, rechnete Johr vor. Gebe es im Durchschnitt der Gemeinden jährlich nicht einmal eine einzige Taufe mehr und einen einzigen Austritt weniger, bedeute das bis 2060 etwa 10.000 Gemeindeglieder mehr.
Kirchenpräsident Martin Heimbucher sagte, zentral sei in diesem Zusammenhang eine einladende Kirche: «Was hindert uns daran, zur Taufe einzuladen?» Die Emder Pastorin Reinhild Gedenk ergänzte in einer ausführlichen Debatte, die Kirche müsse die Menschen fragen: «Was braucht ihr eigentlich?»
Ausbildungsexpertin fordert neuen Blick der Kirche auf Jüngere
Emden (epd). Die evangelische Ausbildungsexpertin Christiane de Vos hat im Zusammenhang mit der Nachwuchsarbeit der Kirche einen neuen Blick auf junge Menschen gefordert. «Wir müssen wissen, wie tickt die Generation der Millenials», sagte die Referentin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) vor der reformierten Synode in Emden. Unter «Millenials» wird die Generation verstanden, die zwischen den frühen 1980er und den späten 1990er Jahren geboren wurde. Die Nachwuchsarbeit war am Freitag Thema einer ausführlichen Debatte im Parlament der Evangelisch-reformierten Kirche.
In der Generation der um die Jahrtausendwende Geborenen erklärten einer Jugendstudie zufolge 52 Prozent der Befragten, sie glaubten an Gott. «Glaube ja – Kirche nein», das sei ein Ergebnis der Studie, erläuterte Oberkirchenrätin de Vos, Expertin für Hochschulwesen und theologische Ausbildung bei der EKD. Sie bezeichnete die Gewinnung des Nachwuchses als eine Beziehungsaufgabe, die nicht durch aufwendige Werbekampagnen erledigt werden könne. Ein gutes Rezept vor Ort sei etwa, Kirchengemeinden für Schul- und Studienpraktika zu öffnen.
Nach Diskussionen in Arbeitsgruppen sammelten die 60 Synodalen der Evangelisch-reformierten Kirche am Freitag Ideen, wie Beziehungsarbeit gestaltet und Jugendliche besser angesprochen werden könnten. Dabei ging es unter anderem um Jugendfreizeiten, Camps für Konfirmanden, besondere Jugendgottesdienste, Orientierungstage am Ende der Schulzeit und Stipendien für Studierende. De Vos betonte, bei der Planung von Projekten sei es wichtig, Jugendliche zu beteiligen.
Kirchenpräsident Martin Heimbucher hatte im Vorfeld der Synode gesagt, schon jetzt könnten nicht mehr alle Pfarrstellen, die durch Pensionierungen frei würden, besetzt werden. Pro Jahr legten in der reformierten Kirche drei Studierende ihr Examen ab. Doch allein im kommenden Jahr wollten sieben Pastoren in den Ruhestand treten.
Zwischen der Kirche und den jungen Menschen gebe es eine «Kommunikationslücke», räumte der Theologe ein. Bis zur Konfirmation sei der Kontakt gut, danach lasse er spürbar nach.
Zur Evangelisch-reformierten Kirche mit Sitz in Leer gehören rund 173.500 Mitglieder in 145 Gemeinden zwischen Ostfriesland und dem Allgäu. In der reformierten Kirche arbeiten derzeit eigenen Angaben zufolge 130 Pastorinnen und Pastoren, davon 111 im Gemeindedienst sowie 19 mit gesamtkirchlichen Aufgaben. Bis zum Jahr 2025 gehen 34 in den Ruhestand.
Weitere Informationen unter: www.reformiert.de
Source: Kirche-Oldenburg