Die evangelische Kirche feiert 500 Jahre Reformation – und "Mister Börse" Frank Lehmann feiert mit. Denn die Welt brauche immer wieder eine Revolution, die alte Verkrustungen aufbricht, sagt der Wirtschaftsjournalist.
Herr Lehmann, 2017 feiert die evangelische Kirche 500 Jahre Reformation. Warum feiern Sie mit?
Weil ich Erinnerungen an die 68er Bewegung habe, da gibt es Parallelen zur Reformation. Ich habe in Frankfurt studiert und mich der 68er-Bewegung angeschlossen. Als ich merkte, was Rudi Dutschke wollte, habe ich gedacht: Hey, das ist ja wie Luther damals zur Reformation. Der mündige Bürger! Du musst selbst denken! Die 68er-Bewegung hat mich sehr stark an die Reformation erinnert. Das waren ähnliche Themen: Die Verkrustungen aufzubrechen, das hat ja Luther schon getan. Insofern bin ich gern Reformationsbotschafter, um zu sagen: Hey Leute, passt auf, selbstständig Denken ist mit das Wichtigste!
Warum sollten wir uns heute mit der Reformation beschäftigen?
Immer wieder fährt sich die Menschheit fest. Alles in so eingefahrenen Bahnen. Luther hat ja Revolution gemacht, dieser kleine Augustinermönch hat ja die ganze Welt in Bewegung gesetzt. Was er losgelöst hat, welche Lawine, das ist gigantisch und hat mich unheimlich fasziniert. Das Zölibat war früher absolutes Dogma der katholischen Kirche, aber jetzt fängt sie an, übers Zölibat nachzudenken. Das hat auch was mit Luther und der Bewegung damals zu tun. Wir haben noch nie so einen evangelischen Papst gehabt wie diesen. Da bewegt sich was.
Wenn Luther heute unterwegs wäre, welche Thesen würde er jetzt verbreiten?
Er ist ein stark politischer Mensch gewesen. Bei Umweltschutz und Klima würde er jetzt wahrscheinlich reinhauen: Wenn ihr das Klima nicht hinkriegt, die Erwärmung der Welt nicht, dann wird die Welt schneller untergehen als gedacht. Die Kluft zwischen arm und reich, da würde er auch reinhauen und sagen: Das geht nicht.
Könnte Luther heute im Fernsehen auftreten, vielleicht kurz vor der Tagesschau?
Lehmann: Wir haben ja jeden Samstag das „Wort zum Sonntag“. Warum sollte Luther dort nicht auftreten? Wenn er diese harschen Thesen in der ihm eigenen Sprache bringt, dann hüpfen die Leute aus dem Sessel. Das ist so eine geradlinige, klare, von mir aus auch brutale Sprache, die ist in dieser Welt unbedingt gefragt, die so ein bisschen vor sich hindümpelt mit Friede, Freude, Eierkuchen.
Könnten wir etwas lernen von Luther?
Ja, Kinder kriegen! Katharina von Bora hatte sechs Kinder und hat noch elf angenommen, glaube ich – toll! Luther ist ein richtiger Familienmensch gewesen. Was noch? Für mich ist immer wichtig, dem Volk aufs Maul zu schauen. Ich habe auch immer versucht, den Börsenbericht einfach zu formulieren. Ich wünsche mir klare Verhältnisse, klaren Ausdruck, eine klare Sprache. Luther hat ja keine vulgäre Sprache gemacht, aber sie war deftig. Das haben die Leute verstanden und deswegen sind die Leute ihm ja auch gefolgt.
Was bedeutet Reformation für Sie mit Blick auf Ihren persönlichen Glauben?
Dass ich standhaft und fest und klar an Gott glaube und an die Bibel glaube. Nicht an alles, was drin steht, aber doch an die Bibel als Autorität.
Ein Interview des evangelischen Magazins chrismon.
Source: Kirche-Oldenburg